Zwei ungestalte männliche Köpfe, die jeweils aus dem gleichen Kleidungsstück hervorragen, verstehen sich schnell als zwei Abbilder ein- und desselben. Kolossal wirken die Köpfe, beängstigend massig ihr Gesamteindruck. Beide erscheinen durch nicht gleich erkennbare Überblendungen mit dem deutschen Bundesadler als Entitäten im Wandel dargestellt. Hat die Sichtbarkeit des Bundesadlers im ersten Bild durch die Hautrosa-Tönung noch unterschwellige Qualität, so nimmt sie im zweiten Bild durch die braune Färbung an Deutlichkeit zu. Die Veränderung zeigt sich malerisch als Auflösungsprozess durch die Einbuße klarer Konturen und die verstörende Verbreiterung des Kopfes. In beiden Bildern sind manche Gesichtspartien nur ungefähr zu ahnen. Sie nehmen derart vage Formen an, dass Assoziationen fern der menschlichen Physiognomie aufkommen. Die Augen mimen allenfalls einen Blick ins Ungefähre. Den rechtsseitigen Ohren allein, die sich wie ein Ornament von der Masse abheben, mag man als Körperteil Normalität zusprechen.
Felix Giesen hat sein eigenes photographisches Konterfei mit einer alkoholischen Schellacklösung auf grobes Leinen gebannt und in die Breite gezerrt. Nach der Fixierung mit Hasenleim hat der Künstler mit der alkoholischen Schellacklösung den Adler eingeätzt und Akzente mit Pigmenten in Öl gesetzt. So oszilliert das Bild schon durch die Herstellungstechnik zwischen Dokumentation und Fiktion. Der Künstler führt die computergestützte Technik des „morphing“ zurück in die traditionelle Maltechnik. Unterstützend wirkt dabei das Leinen, das durch seine grobe Rasterung die drucktechnische Präzision außer Kraft setzt und das Malerische stärker zu Wort kommen lässt.
Ein Diptychon hatte, sobald die christliche Religion im Abendland dominierte, vorrangig die Funktion eines Andachtsbildes. Zusammengeklappt war es leicht zu transportieren und diente dem privaten Gebrauch unterwegs. Später entwickelte sich daraus das profane Doppelporträt. Im Bildtitel enttarnt sich der Künstler als Porträtierter in zwei Ansichten, um sich malerisch zugleich zu entfremden und diesen Prozess in zwei Phasen anzuzeigen. Das Individuelle weicht hinter der Adlerschablone zurück, die wie eine Maske Selbstverleugnung und Schutz gewährt. Das Ungefähre der Porträts lässt an Phantombilder im forensischen Kontext denken. Schonungslos und mutig zeigt uns der Künstler sein eigenes Konterfei in einer visionären malerischen Auseinandersetzung, in der er die potenzielle Auswirkung rechtsextremer Infiltration auf sich selbst auslotet.
@giesenfelix | www.giesenfelix.com
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