Ein leuchtendes Farbenspiel von Textilien und Schmuck und ein tiefes Schwarz steigern sich gegenseitig zum bildstarken Seherlebnis: das Auge fokussiert sich auf die bunte Kostümierung, während das Dunkel des Hintergrunds unseren Blick gefangen hält. Geheimnisvoll umgibt es die Tracht vergangener Zeit und füllt das Oberteil in damastartiger Musterung. Dargestellt ist eine vom Betrachter abgewandte weibliche Person. Die schmale Taille ist durch einen farbenfrohen Textilgürtel in Patchworktechnik betont, der formal der Grazie eines Diadems folgt. Als Mittelstreifen darin prangt eine grüne wellenförmige Litze, deren Glanz eine moderne kunststoffartige Qualität anzeigt. Breite pink-weiße Webborten fallen dekorativ vom Gürtel auf den gesmokten blauen Rock. Das schwarze Haar wird oben auf dem Kopf von einer Brokatborte gehalten, deren Liegefalten auf eine sorgfältige Aufbewahrung deuten. Einige Haare haben sich gelöst und betonen neben Ketten aus schwarzen Perlen, Astkorallen und durchbrochenen Goldperlen die zarte Zone des Nackens. Zudem lenken orientalisch anmutende, filigrane Ohrgehänge den Blick auf die Nackenzone. Das Ohr verweist mit einem kleinen unauffälligen Ring auf ein Piercing, das die Dargestellte ins Heute versetzt und die Vorstellung einer traditionellen Trachtenträgerin durchkreuzt.
Geht es um die Bestandsaufnahme ehemaliger Kleidungspraktiken? Ihre regionalen Unterschiede? Die Konservierung unserer Kenntnis alter Trachten? Corina Gertz gelingt es, die Dokumentation von Bekleidungskultur und traditionellem Handwerk photographisch so einzufangen, dass der Bildgenuss ebenso souverän wie diskret das Dokumentarische dominiert. In der Rückenansicht fehlen uns viele Informationen, die wir einem frontalen Porträt entnehmen wie Gesichtsfarbe und -form, emotionaler Ausdruck oder auch die Sprache der Hände. Aber die Rückenansicht lässt die Dargestellte eher verletzlich erscheinen. Ihre schmale Taille und ihr geschmückter, zarter Nacken vermitteln erotische Anmut. Figur und Haut lassen auf eine junge Trägerin schließen.
Stillleben erhöhen ihre Stille oft durch einen dunklen Hintergrund, vor dem das Vergängliche ausgestellt ist, seien es Blumen, Lebensmittel oder Tiere. Verweisen im Stillleben Zeichen wie verwelkte Blätter, Fäulnis, Zerbrochenes, Mäuse oder Schnecken auf die Flüchtigkeit des intakt Vorhandenen, so sind es hier eher die Boten des Neuen wie Piercing und Kunststoffglanz, die das Verschwindende beiläufig ins Gedächtnis rufen. Corina Gertz gestaltet die Komposition ihrer Aufnahme mit solcher Sorgfalt, dass sie dem Zauber und dem Impuls zur Nachdenklichkeit wie bei einem Stillleben Raum gibt.
www.corinagertz.com | @corinagertz
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