Für Sheila Hicks bedeutet die Beschäftigung mit Stoff, Textilien Leben, permanente Erfahrung und Schulung der Wahrnehmung. Zunächst sitzt sie im Kinosaal der Kunsthalle inmitten ihrer monumentalen Plastik, bevor sie von Werk zu Werk läuft – und berichtet, erzählt und fragt. Stoff ist haptisch sinnliche, weiche Materie und die Textilie ein plastisches Ereignis, das in seiner Herkunft, seiner Farbigkeit, Technik und Musterung auf kulturelle Traditionen verweist. Sheila Hicks schiebt geflochtene Seile zur Seite und unterstreicht so das Zusammenwirken von Licht und Schatten. Im Seitenlichtsaal, für den sie eine transparente Installation vor den Fensterscheiben entwickelt hat, hadert sie sie noch mit der Beleuchtung – zu fein sind die kleinformatigen Flächen in ihrer Kombination verschiedener Stoffe, etwa von Leinen, Seide und Wolle, und ihren farblichen Tönungen. Sie nimmt an der Stirnwand das Hochformat einer zweiteiligen Arbeit ab, hängt es als Querformat und zeigt damit ihre Affinität zur Farbfeldmalerei. Im Emporensaal wird dann, bei den Werken der jüngsten Zeit, die Verbindung zur Tapisserie deutlich, nun tauchen gegenständliche Motive auf. Zwei weitmaschige Fischernetze, die Sheila Hicks auf dem Markt in Seoul gefunden hat, sind wie Ritualstätten auf dem Boden ausgebreitet. Und dann lädt sie ihr Publikum ein, gemeinsam mit ihr ein Netz anzuheben und gleichzeitig fallen zu lassen: Mit dem Knall der Aktion ist die Ausstellung beseelt.
Sheila Hicks reagiert auch auf die Struktur des Ausstellungsortes, indem sie Stoffe, die sie in der Kunsthalle vorgefunden hat, das Geländer herabhängen lässt oder in einer Saalecke verdichtet. Es weist auf ihre lange Erfahrung mit Architektur. Erste Erfolge als Künstlerin hatte sie mit ortsspezifischen Tapisserien, mit denen sie beauftragt wurde. Sie hat, geboren 1934 in Nebraska, an der Yale School of Art bei Josef Albers studiert und seine Frau Anni Albers kennengelernt – das ist der Bezug zu ihrer zeitgleichen Retrospektive in Bottrop. Danach hat sie zu präkolumbianischen Textilien geforscht, archäologische Stätten in Chile fotografiert und anschließend in Mexiko gelebt. Seit 1964 ist sie in Paris ansässig. Sie zählt – mit Magdalena Abakanowicz, Jagoda Buic, Ritzi & Peter Jacobi – zu den Pionierinnen des Stoffes als freiem künstlerischem Material. Während die Osteuropäerinnen aber mehr mit der Struktur des Reliefs, Volumen und mythologischer und geschichtlicher Aufladung gearbeitet haben, geht die US-Amerikanerin Sheila Hicks spielerisch offen und eklektizistisch vor und lässt mit ihrer Buntheit die Erinnerung an Malerei aufkommen. Und dann fließen – unterstützt durch die Titel – Assoziationen ein an Urwald, einen strömenden Wasserfall und auch Säulen, und mit diesem Wissen wirkt die Ausstellung wieder ganz anders.
Sheila Hicks, bis 23. Februar in der Kunsthalle Düsseldorf und, parallel dazu, im Josef Albers Museum Bottrop.
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