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Nicht zu fassen

Die biograph Buchbesprechung von Thomas Laux

Man gedachte vergangenen Juli des 80. Geburtstags Jörg Fausers. Wie weithin bekannt, starb Fauser bereits am Folgetag seines 44. Geburtstags 1987 auf einer Autobahn bei München, die tragischen Umstände sind bis heute nicht einwandfrei geklärt. Ohnehin bleibt vieles mysteriös im Leben dieses Mannes, die beiden Biografen Penzel und Waibel versuchen in einem opulent daherkommenden Buch, soviel Licht wie möglich in dieses unstete Leben zu bringen. Sie verfolgen die einzelnen Etappen über Elternhaus, Kindheit, Jugend bis hin zu den primären Schreibversuchen, zeichnen die bitteren Niederlagen nach, die ersten Erfolge. Fauser–Fans dürfte vieles bekannt sein (schließlich gab es diese Biografie vor rund zwanzig Jahren bereits, allerdings nicht in diesem Umfang). Die nun mit deutlich mehr Anmerkungen und Einsichten versehene Biografie lohnt sich aber schon deshalb, weil sie qua ihrer Aktualisierung – u.a. durch neuere Interviews – einiges über die Bundesrepublik und die Befindlichkeiten der 70er– und 80er–Jahre miteinfließen lässt.
Fauser war von Natur aus ein Einzelgänger und stemmte sich eigensinnig gegen alles, was nur entfernt nach mainstream aussah. So verwundert es kaum, dass er sich in den unruhigen 60er–Jahren gerade nicht zu den progressiven Kräften zählte, sondern sich politisch zurückhielt, im Zweifel sogar gegen „alles Linke“ optierte und sich irritierenderweise auch gern ins Private zurückzog. Fauser ist in dieser Zeit vor allem mit Dealen beschäftigt, die Drogen sind ein notorischer Begleiter von Anfang an, heftige Alkoholabstürze sind ihm ebenfalls nicht fremd. In der damaligen Hausbesetzerszene taucht er zwar irgendwie auf, ist gleichzeitig aber jemand, der „militant apolitisch“ bleibt, seine Mutter soll immer wieder vorbeigeschaut haben, um ihm frische Wäsche zu bringen. Aufmüpfigkeit gegen das Elternhaus war seine Sache nicht, er achtete seinen Vater, der selbst Künstler bzw. Maler war. Sein Feind, so heißt es griffig, ist „nicht der Staat, sondern der Kulturbetrieb“, und Schreiben ihm eine Art Vorwärtsverteidigung, nicht zuletzt auch eine Therapie, um von der Sucht loszukommen; der großartige Publizist und Übersetzer Carl Weissner steht ihm da immer wieder zur Seite.
Vor allem aber muss Fauser stets zusehen, dass Geld hereinkommt, und so ist er kreativ höchst umtriebig. Mitte der 70er–Jahre verfasst er eine Reihe von Hörspielen, wenngleich er keine sonderliche Begeisterung für das Medium als solches zeigt, was übrigens auch für das Verfassen von Drehbüchern gilt. Er übersetzt u.a. Bukowski, Bob Dylan, Frank Zappa, veröffentlicht erste Gedichte. Allmählich dringen auch seine Prosaversuche stärker durch, erste namhafte Verlage melden sich, Erzählungen erscheinen. In Klagenfurt, bei der Ausschreibung des Ingeborg–Bachmann–Preises, wird u.a. ein gewisser Reich–Ranicki ihm noch coram publico die Leviten lesen (es gibt dazu ein sehenswertes Video auf YouTube), was seinem Ruhm aber nicht geschadet hat. Und dann ist auf einmal ein Buch da, auf das ganz Deutschland gewartet zu haben scheint: „Der Schneemann“, es wird mit „Rohstoff“ sein größter literarischer Erfolg und später mit Müller–Westernhagen verfilmt. Postum werden auch seine umfangreichen journalistischen Arbeiten, vormals von ihm als nervige Nebentätigkeit abgetan, deutlich stärker evaluiert.
Wenn man beiden Biografen etwas vorhalten kann, dann ihre bisweilen auf Jugendlichkeit getrimmte Sprache, denn da wird schon mal gern mit Jargon und Flapsigkeit operiert. Man hat den Eindruck, sie orientierten sich an den knorzigen Protagonisten Fausers und bräuchten diese Mimikry, um authentischer zu wirken. Nein, bräuchten sie nicht. Denn alles ist bestens recherchiert, es liest sich sehr gut.
Matthias Penzel, Ambros Waibel: Jörg Fauser. Rebell im Cola–Hinterland. Die Biografie. Diogenes Verlag, Zürich 2024, 630 S., 32.-€

aus biograph 11/2024

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