Seit der diesjährigen Berlinale hat in diesem Jahr kein Filmfestival mehr stattgefunden. Mit Venedig soll der Festivalrummel nun wieder losgehen. Ein mutiges Unterfangen, doch die Infektionszahlen sind zurzeit in Italien niedriger als in Deutschland. Dazu kommt ein Hygienekonzept, mit weniger Filmen und mehr Kinos, in denen man die gebotenen Abstände einhalten kann. Dazu hat man noch schnell zwei Open Air Kinos gebaut und will so der internationalen Filmkunst wieder eine Bühne bereiten. Allerdings musste Festivaldirektor Alberto Barbera im Programm doch einige Kompromisse machen. So verzichtet er auf diejenigen Filme, die eigentlich in Cannes gezeigt werden sollten. Sie sind auf vielen anderen noch kommenden europäischen Festivals zu sehen, wie zum Beispiel in San Sebastian, Rom und Zürich. Auch die kommende Oscar-Saison wird Venedig in diesem Jahr nicht einläuten können. Zu wenige amerikanische Produktionen haben aufgrund von Reisebeschränkungen den Weg ins Programm gefunden. "Nomadland" von Chloé Zhao ist einer von ihnen, dem auch Oscar-Chancen eingeräumt werden. Es geht um Nomaden in Amerika, die zweifache Oscar-Preisträgerin Frances McDormand spielt die Hauptrolle und hat den Film auch produziert, wird aber nur für eine virtuelle Einführung zur Verfügung stehen. Der zweite US-Beitrag im Wettbewerb ist "The World to come" mit Casey Affleck in der Hauptrolle. Das Drama erzählt von zwei benachbarten Familien an der amerikanischen Ostküste in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Das war dann auch schon alles mit der amerikanischen Präsenz. Gezwungenermaßen setzt die Filmauswahl in diesem Jahr mehr auf Newcomer und mögliche Entdeckungen, was dem Wettbewerb, der so oft von den gleichen bekannten Namen geprägt war, eine deutliche Auffrischung geben könnte. Jedenfalls haben 13 der insgesamt 18 Filmemacher*innen noch nie am Wettbewerb teilgenommen, acht von ihnen sind sogar Frauen, womit Venedig erstmals die Gender-Quote erfüllt.
Cate Blanchett wird die Internationale Jury anführen. An ihrer Seite werden Tilda Swinton, Ann Hui, Cristi Puiu, Joanna Hogg, Veronica Frantz und auch der deutsche Regisseur Christian Petzold sein.
Seit langem hat es auch mal wieder ein deutscher Film in den Wettbewerb um den Goldenen Löwen geschafft: Mit "Und morgen die ganze Welt" nimmt Julia Heinz zum ersten Mal in Venedig teil und wird mit ihrer Geschichte um die 20-jährige Lisa, die sich der Antifa anschließt, um sich den Neonazis entgegen zu stellen, einen politischen Wind an die Adria bringen.
Deutschland ist auch an einigen anderen Wettbewerbs-Filmen, zumindest minoritär beteiligt: so etwa an Gianfranco Rosis "Notturno", an "Never Gonna Snow Again" der polnischen Regisseurin Malgorzata Szumowska und an "Quo Vadis, Aida?" der Bosnierin Jasmina Zbanic, die 2006 mit "Esmas Geheimnis" den Goldenen Bären in Berlin gewann.
Außer Konkurrenz darf man gespannt sein auf Pedro Almodovars erstes englischsprachiges Werk "The Human Voice". Seine 30-minütige Adaption von Jean Cocteaus Theaterstück ist in Rekordzeit nach dem Lockdown entstanden, Tilda Swinton spielt die Hauptrolle. Ihre Jury-Kollegin Ann Hui darf ihren neuen Film "Love after Love" vorstellen, die Geschichte eines jungen Mädchens, das auf einer Bildungsreise von Shanghai nach Hongkong kommt, wo sie schließlich für ihre Tante arbeitet, um reiche und mächtige Männer zu verführen.
Auch der britische Beitrag von Roger Mitchell hört sich interessant an. In der 'heist comedy' "The Duke" wandeln Hellen Mirren und Jim Broadbent auf den Spuren eines Taxifahrers, der 1961 die National Gallery um ein Goya-Gemälde erleichterte. Und auch Gia Coppola ("Palo Alto") kehrt zurück an den Lido. "Mainstream" ist ihre Warnung vor der verheerenden Wirkung von Social Media mit Andrew Garfield und Jason Schwartzman in den Hauptrollen. Daniele Luchettis "Lacci" mit Alba Rohrwacher in der Hauptrolle wird das Festival eröffnen. Einer von vier italienischen Beiträgen, der das europäische Übergewicht in der diesjährigen Selektion belegt. Immerhin - so findet der europäische Film in diesem Jahr nicht im Schatten der amerikanischen Beiträge statt, sondern hat die Chance zu zeigen, dass das europäische Kino lebt.
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