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Nur Verlierer

Die biograph Buchbesprechung von Thomas Laux

Eine andere Perle des unlängst hier mit der Werkausgabe Arthur Machens vorgestellten Elfenbein Verlags ist der britische Autor Simon Raven (1927–2001). Auch ihm wird gleich eine zehnbändige Romanreihe (unter dem Titel „Almosen fürs Vergessen“) gewidmet, deren erster Band nun vorliegt.
Zentraler Held darin ist der Ich–Erzähler Fielding Gray, 17–jähriger angehender Absolvent einer englischen Privatschule, der, gewiss nicht unsympathisch, aber ziemlich versnobt und elitär auftretend, plötzlich vor lauter kapitalen beruflichen wie privaten Herausforderungen steht.
Wir befinden uns direkt nach Ende des Zweiten Weltkriegs, Fielding beginnt ein, nennen wir es so, Techtelmechtel mit Christopher, einem Jungen seiner Klasse, die sexuelle Orientierung ist bei beiden noch diffus, vordergründig homosexuell (später wird Fielding aber ein junges Mädchen verführen und auch ins Bordell gehen), den körperlichen Kontakten haftet noch etwas Naives an, obwohl es da, ein einziges Mal in einem Heuschober, schon zu konkreteren Berührungen kommt. Da dies alles zuvor von einigen Mitschülern beobachtet und dann auch weitergetragen wird, bleibt es schließlich auch der schulischen Leitung nicht verborgen. Wäre Fielding nun nicht ein begabter Schüler mit Ambitionen auf höhere Weihen später in Cambridge – er könnte nie mit einer zunächst zurückhaltenden Reaktion des Schuldirektors rechnen; aber die Dinge bleiben prekär in der Schwebe, und Fielding kann sich nie sicher sein.
Was auch mit seinen Eltern zu tun hat, beide Elternteile bestechen durch Ressentiments, Verlogenheit und moralische Verdrehtheit – der Vater wichtigtuerisch, die Mutter duckmäuserisch. Erst, als der Vater bei einer befreundeten Frau der Familie beim Geschlechtsakt einen Herzinfarkt erleidet und stirbt, ändert sich etwas bei ihr, allerdings nichts, was ihr zum Vorteil gerät. Eine Zeitlang kann Fielding sich beiden Elternteilen gegenüber in einem zermürbenden Kleinkrieg mit erstaunlicher Selbstsicherheit und Chuzpe positionieren. Doch laut des „pragmatischen“ Plans der Eltern (denen das ganze Gehabe ihres Sohnes nicht in den Kram passt) soll Fielding nach seinem Militärdienst auf eine Teeplantage nach Indien gehen, um dort zum „richtigen Mann“ zu reifen. Nun werden die Widerstände gegen sein libertäres Weltbild immer stärker, knallhart stoßen die einzelnen Positionen und Weltansichten aufeinander.  
Raven legt zu dem Zeitpunkt sein Augenmerk bereits weniger auf Fielding, als auf die einzelnen Moralpositionen anderer Figuren, er offenbart, gerade bei den Erwachsenen, eine Welt der Doppelmoral, der frivolen Übergriffe, des schieren Egoismus, sehr plastisch dargestellt an einer gewissen Angela Tuck, weiblicher Teil eines befreundeten Ehepaars von Fieldings Eltern; sie geht, wenn immer sich die Gelegenheit ergibt, mit jedem Mann ins Bett. Und selbst Fieldings Mutter ist sich nicht zu schade, ihren Sohn ob seiner vermeintlichen oder tatsächlichen „Sodomie“ zu denunzieren; ein Foto mit einer Widmung und Liebeserklärung Christophers will sie an die Schulleitung weitergeben, sollte er nicht auf ihre Pläne mit der Teeplantage eingehen.
Der vereinsamte Christopher wird sich schließlich das Leben nehmen, wofür, das macht Raven klar, diese hochgradig erkaltete, pervertierte Gesellschaft mitverantwortlich ist. Und auch für Fielding verschlechtert sich die Lage, weil die Schulleitung, lange Zeit auf seiner Seite, nach all den kolportierten Gerüchten schnöde einknickt. Eine Empfehlung für Cambridge wird nicht mehr ausgesprochen, Fielding macht seinen Militärdienst und peilt an, dortselbst eine Karriere hinzulegen – am Ende gibt es somit nur Verlierer. Man darf gespannt sein, wie es mit Fielding weitergeht.

Simon Raven: Fielding Gray („Almosen fürs Vergessen“ Bd.1), Roman. Aus dem Englischen u. mit einem Nachwort von Sabine Franke. Elfenbein Verlag, Berlin 2020, 262 S., 22.-€




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