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Sven Kroner
Porträtfoto: © Simone Lucas

Sven Kroner

Welt im Privaten

Eine Atmosphäre der Stille liegt über den Malereien von Sven Kroner. Zum Beispiel: die Dämmerung ist von schwachem Licht erhellt. Das Atelier ist unaufgeräumt, der Boden mit Keilrahmen bedeckt, Helligkeit flutet durch einzelne Lichtöffnungen, und doch ist alles an seinem Platz. Schnee bedeckt die Straßen, Vorgärten und Hausdächer... Und dann wieder ist die Natur mit ihren Feldern und dem Wald sich selbst überlassen, mitunter hat eine Flut oder ein Sturm massive Schäden hinterlassen – im Atelier in Neuss spricht Sven Kroner bei einer solchen, älteren Werkgruppe von apokalyptischen Landschaften. Und so wie in früheren seine Bilder technische Maschinen aus überschwemmten Gräsern aufragen, Expeditionsschiffe im ewigen Eis eingeschlossen sind und sich gestrandete Ozeandampfer in den Ackerboden eingraben, so sind die Menschen nach wie vor von der Bildfläche verschwunden. Die Struktur des Landschaftlichen und die bürgerliche Ordnung sind brachial oder doch nur subtil aufgehoben durch das Chaos nach der Zerstörung bzw. den Verfall in der Verlassenheit. Aber die Bezüge bleiben deutlich und vielleicht weisen sie auf mentale Befindlichkeiten, wobei in der Großzügigkeit der Landschaft und der Üppigkeit des Wachstums das Idyllische nicht ausgeschlossen ist. Die Ortschaften ihrerseits befinden sich an der urbanen Peripherie. Dazu sind die Farben gebrochen, sie sind fahl und licht oder gedeckt, ins Dunkle getönt, vorgetragen mit einem verhalten expressiven Pinselstrich, der die Mauern und Wände, Fensterbänke und Bildränder als reine Flächen malerisch nuanciert.

Sven Kroner, der 1973 in Kempten im Allgäu geboren wurde und an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Dieter Krieg studiert hat, beschränkt sich zunächst auf Landschaftsausschnitte, bevor er sich seit einigen Jahren Interieurs zuwendet. „Interieur ist auch Landschaft“, sagt Kroner. Auch heben seine neueren Malereien häufig die Schwelle zwischen Innen und Außen auf. Mit retardierenden Momenten thematisieren sie den Übergang sogar explizit, sei es im Blick die Treppe hinab oder aus dem Fenster oder als „Bilder im Bild“ mit den im Atelier lehnenden oder aufgehängten Gemälden und erst recht bei den Glasfassaden, bei denen sich das Innen im Außen und das Außen im Innen fortsetzt. Und dann wieder zeigen die Gemälde Modellhäuser in genau komponierter malerischer Collage auf dem Boden des Ateliers. Die Landschaft dahinter ist eine Tapete, die sich von der Wand löst – Hinweise noch auf ein mögliches Making-Of der früheren Bilder.

Viele der Malereien sind aus der Perspektive von oben gesehen, ähnlich wie sie sich für die Skifahrer in den Bergmassiven auf Kroners frühen Bildern darstellte, die ab Beginn der 2000er-Jahre in Galerien in Amster­dam, Düsseldorf und Paris ausgestellt waren. Bis heute scheinen die Ge­­schehnisse zu Füßen der Betrachter einzusetzen: Der Blick führt im panoramatischem Schweifen über einen weiten Ausschnitt bis zum Horizont des Exterieurs bzw. in die Raumecken des Interieurs. Dies und die räumliche Staffelung, bei der die Malerei geradezu um die vereinzelten Gebäude und die Dinge in der Landschaft herum geführt ist, rücken die Szenen auf den Abstand einer Theaterbühne, die noch in ein blaues Licht gehüllt sein kann und Spots setzt. Es überrascht nicht, dass im Gespräch mit Sven Kroner von den Dioramen der Naturhistorischen Museen die Rede ist. Sind seine überwiegend großformatigen Malereien nicht Miniaturlandschaften, wie unter einer Glashaube und künstlich beleuchtet? Dann wieder verblüfft der Realismus, der in der Konzentration auf das Wesentliche an Lebendigkeit gewinnt.

Ebenso wie die mitunter surrealen Verhältnisse der Größen zueinander, können die Aufsichtswinkel innerhalb eines Bildes wechseln. Die neueren Bilder zeigen mitunter auch Regale und Glasschränke, in denen die selben Dinge aufgereiht sind, die in anderen Bildern in der Landschaft bzw. auf den Holzdielen liegen. Sven Kroner verwendet ein genau erkundetes Repertoire an Dingen, Objekten, Mobiliar, auf die er in wechselnden Rollen zurückgreift, erst recht bei seinen Malereien des eigenen Ateliers. In diesen Gemälden lehnen noch kleinere Landwände mit dem Rücken zum Betrachter an der Wand, ein Elektrokabel kommt hinter ihnen hervor. Viele der Objekte weisen auf den Topos der Reise: die Reifenspuren im tiefen Schnee, die Eisenbahnschienen, die Schiffe, der Zeppelin, die Landebahn des Flughafens. Dazu finden sich Spielzeug-Gegenstände aus der Kindheit. Sie sind Hinweise auf den Wechsel der Wahrnehmung beim Älterwerden, also im Fortgang des Lebens. Aber der Plastik-Dinosaurier deutet auch die Evolution an, die sich bei der Malerei der üppigen Landschaften zugleich umkehrt: Die Natur erobert sich ihre Lebensräume zurück. Von Mal zu Mal spricht Sven Kroner Umweltzerstörung und Klima­­katastrophe oder den Umgang mit der Erde im Privaten und mit den alltäglichen Dingen an, mit denen alles beginnt. Die taktilen Oberflächen und Substanzen sind von ihm als visuelle und haptische Sensation begriffen. „Sven malt Schnee, damit der Augenblick gefrieren kann“, schreibt Simone Lucas (2013), von der die zutreffendsten Texte zu Sven Kroners Malerei stammen. Und indem dieser in den neueren Bildern Vertrautheit hinterfragt und neu herstellt, scheint eine ruhige Heiterkeit auf. Inmitten der Fragwürdigkeiten der Welt gibt es noch paradiesische Orte des gelassenen, spielerischen Innehaltens.

Sven Kroner
Planetoiden, bis 14. Januar in der Neuen Galerie Gladbeck,
Bottroper Straße 17 in Gladbeck, Mi-So 15-20 Uhr

TH

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