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55 x 40 cm, Öl auf Holz
Foto ©: Jonathan Ungemach

„Kunst-Stücke“ Anna Schlüters Blick auf

AGDSTILLLEBEN MIT KNÜPPEL, 2025 von Jonathan Ungemach

Es sind archaisch anmutende Signale, die den Blick in dieses altmeisterlich fein gemalte Bild hineinziehen. Blutflecken prangen am Rande einer gebügelten weißen Damastserviette, unter der mit altem Paketgarn abgebunden der im Titel genannte „Knüppel“ steckt. Er lässt seiner Bezeichnung und seiner Gestalt nach auf einen Penis schließen. Paketgarn und Falten erscheinen mit ihren Schatten plastisch greifbar und spielen gekonnt mit Illusion und Realitätsanspruch. Das Damastmuster der Serviette zeichnet sich präzise ab. Die Damastwebtechnik ist schon im frühmittelalterlichen Byzanz bezeugt. So verweist das dargestellte Material auf eine alte Kultur und verbindet sich gleichzeitig mit dem bürgerlichen Anspruch auf gepflegte Häuslichkeit.

Auch das Sujet von Jonathan Ungemachs Gemälde steht in einer langen Tradition. Stillleben mit ihrem Akzent auf Reichtum und Andeutungen von Vergänglichkeit finden seit dem frühen 16. Jahrhundert ihre Liebhaber in feudalen und bürgerlichen Interieurs. Ihre verschlüsselte Symbolik birgt oft moralische Kernsätze. Detail­ge­nau­igkeit, Farbnuancierung und Lichtführung gelten als Indizien des malerischen Kön­nens, gleich ob Früchte, Preziosen oder Tiere dargestellt sind. Jagdstillleben zeigen erlegtes Wildbret, ohne den Jäger bildlich einzubeziehen. Da findet das getötete Ani­malische seinen kultivierten Platz. In Ungemachs Jagdstillleben ist das Animalische als Sexua­lität verkörpert. Der „Jäger“ bleibt auch hier verborgen. Seine Präsenz ist im Bildtitel und malerisch nur verdeckt herausgestellt.

Ein simuliertes Kärtchen im Bild, wie es in alten Gemälden oft Urheberschaft und Datierung anzeigte, ist hinter der oberen Serviettenkante zu finden. Es hält jedoch nicht Signatur und Datum bereit, sondern – kaum sichtbar - drei zart skizzierte männliche Oberkörper. Anstelle der Köpfe fingiert die Malerei jeweils rechteckige Aus­schnitte im Papier. Die Darstellung des Unsichtbaren tritt abermals in den Fokus und nährt die Sehnsucht nach offenem Zeigen. Wie ein Myzel mögen Verborgenes und die deutlich sichtbaren Blutflecken miteinander verflochten und nur unterschwellig in ihrer Verbindung nachweisbar sein. Ist der „Knüppel“ Täter oder Opfer? Wer wurde erlegt? Eine moralische Aussage entfällt ebenso wie eine inhaltliche Erklärung. Gewalthaftes und äußerst Kultiviertes finden in diesem Gemälde diskret und faszinierend zueinander.

@J.Ungemach    

Anna Schlüter

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