Vermeintlich vertraut aus dem bürgerlichen Ambiente, irritiert die Sichtung des Clark Sickle-Leaf Carpet. Erst bei näherem Hinsehen entdeckt man, dass der Teppich großflächig auf Papier gedruckt ist. Unzählige ‚emot-icons‘ repräsentieren das Teppichmuster.
Die Kunst des Teppichknüpfens oblag traditionell dem unendlichen Fleiß, dem Geschick und der Phantasie der Frauen. In Mio Zajacs Arbeit übernehmen 3297 verschiedene emot-icons die Funktionalität der einzelnen Knoten bei der Erstellung des Gesamtbildes. Als Bildschriftzeichen bergen diese eine archaische Note. Das Wissen um den Wandel von naturgefärbter Wolle und Seide zu chemisch hergestellten Druckfarben auf Papier mag jedoch ambivalente Gefühle erzeugen. Die Wahrnehmung der computergenerierten Basis mag zudem ernüchtern. Emot-icons sind ein vertrauter Ausdruck heute gängiger Kommunikation, wie sie weltweit und unabhängig von Sprachen und Dialekten funktionieren. Sie stehen vielfach für diverse emotionale Zustände, die kollektiv geteilt werden. Da mag man sich global vernetzt ‚zuhause‘ fühlen, während der originale Teppich zwar staunende Bewunderung entlocken, aber auch wie ein Relikt bürgerlich gediegener Wohnkultur fremd erscheinen mag.
Der Teppich zeigt in symmetrischer Harmonie ein komplexes Netzwerk von stilisierten Weinreben, fruchtbeladenen Zweigen, Sichelblättern, das von allen Seiten her zu genießen ist. Pflanzen als Symbole des Lebens und des Paradieses bringen die Labsal eines Gartens in opulenten Farben in den Wohnbereich. Es ist nicht irgendein Teppich, sondern der Sichelblatt-Teppich aus der Sammlung des amerikanischen Industriellen William A. Clark. Häufig ausgestellt und wissenschaftlich bearbeitet, kam er 2013 bei Sotheby’s in New York unter den Hammer und erreichte den Rekordpreis von US$ 33,8 Mio. und damit eine große Popularität auf dem Kunstmarkt. Heute ist er im Museum of Islamic Art in Doha, Katar zuhause. Er gilt als überaus großartiges Exemplar der safawidischen Teppichkunst des 17. Jahrhunderts, wie sie im südöstlichen Persien Tradition war.
Mio Zajac bagatellisiert und aktualisiert zugleich die Rezeption des Sensationsteppichs. Die computergenerierte und farblich zurückgenommene Übertragung des Teppichbildes, einem Inbegriff handwerklich hoher Kunst, auf Papier mag kulturell regressiv erscheinen und den Auktionsrekord als Inbegriff eines überhitzten Kunstmarkts abwertend kommentieren. Zugleich lässt er die einst still verwebten Emotionen und Sehnsüchte in heutiger Sprache aufleben und baut so eine Brücke zur Überzeitlichkeit emotionalen Ausdrucks.
www.miozajac.de
Aus der Reihe „Kunst-Stücke“
In dieser Reihe schreiben Studierende der Kunstgeschichte an der H.-Heine-Universität Düsseldorf über Kunstwerke Düsseldorfer Künstler und Künstlerinnen.
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