Doch, sagt Milivoj Bijelic, nach wie vor sei sein Homo Rebus-Modell Ausgangspunkt und Maß für viele seiner Projekte. Auf dem Schreibtisch im Atelier liegen zwei dieser „Urformen“ aus Metall, flache Schematisierungen einer Figur mit etwa zehn Zentimetern Länge. Milivoj Bijelic legt sie nebeneinander, dann auch Fuß an Fuß gegeneinander und er verschränkt sie noch: Sie sind Ausdruck für den einzelnen Menschen und für Gesellschaft. „Die Programmfigur ist zu beschreiben als geometrische Fassung der Proportionsfigur“, hat Johannes auf der Lake geschrieben. „Mit ausgestreckten Armen und breitbeinig postiert steht die Figur bei Leonardo und Bijelic als Maßstab im Zentrum.“ (Kat. Kunstmuseum Düsseldorf 1989) Bei Bijelic ist sie zugleich Piktogramm in variabler Verwendung.
Entwickelt hat Milivoj Bijelic den Homo Rebus – den vermessenen Menschen – in seinen ersten Jahren in Deutschland. Geboren 1951 in Zagreb, hat er dort auch an der Kunstakademie studiert, in Antwerpen ein Postgraduierten-Studium angeschlossen und schon bald danach auf der Biennale Sao Paulo ausgestellt, noch bevor er 1983 nach Düsseldorf übersiedelte. In der Landeshauptstadt ist Bijelic sofort in die Kunstszene integriert, im gleichen Jahr stellt er bei „Der letzte Schrei“ im Kunstmuseum im Ehrenhof aus. Die ersten Werke lassen sich der Konkreten Kunst zuordnen, zumal die Rebusfigur oft geteilt und dadurch abstrahiert ist. Als Malerei liegen kantig gefasste Farbfelder nebeneinander, die in symmetrischer Orientierung wie ein Kaleidoskop aufgefächert sind. Bei den Objekten bleibt die Figur meist in ihrer Ganzheit gegeben. Mittels serieller Reihung schafft Bijelic raumgreifende Schichtungen; so hat er etwa liegende Schablonen in sukzessive verjüngendem Maß zur Pyramide gestapelt.
1993 ist er zur Teilnahme im kroatischen Pavillon auf der Biennale Venedig eingeladen, mitten in Kriegszeiten in seiner Heimat. Sein Beitrag ist ein mehrere Meter tiefes Objekt aus aneinander schließenden stehenden Sperrholz-Figuren des Homo Rebus, über denen eine langgezogene Fläche liegt: Die Metapher für eine Autobahn wäre als verbindendes Zeichen, Hoffnung auf Fortschritt und Neubeginn und doch Zustand der Wüste und von Verwüstung zu verstehen. - Auch das kennzeichnet bis heute sein Oeuvre: Milivoj Bijelic‘ Beiträge sind anschaulich. Sie thematisieren – mit philosophischem und soziologischem Background – gesellschaftliche Fragen, die folglich jeden angehen und eben verständlich und direkt vermittelt sein sollen.
Das gilt ebenso für die Rasterbilder, die, sozusagen als Hauptwerk, seit Mitte der 1990er Jahre entstehen. Die zeilig addierten Rebusfiguren ergeben ein kontinuierliches Wabenornament, geprintet auf Papier und auf Leinwand. Sie sind die Rasterpixel – pro Quadratmeter 13.888 Felder – für die bildnerischen Vorlagen. Bijelic trägt die Farben als kegelförmige Materien auf. Aus der Nähe gegenstandslose Farbkörper, werden sie von der Seite zum vibrierenden Relief und in der Menge wieder zur gegenständlichen Erscheinung. Ob ein Sonnenuntergang in der Landschaft oder spielende Kinder am Strand: Bijelic liegt auch bei den Bildern unbedingt an der Lesbarkeit, bis hin zum Klischee der Erinnerung. Dazu hängt im Atelier ein Schild: „Bilder auf Bestellung! Bringen Sie Ihr Motiv“. Konsequent folgt der nächste, aktuelle Schritt mit „Das kann ich doch auch“ - „Die Versöhnung zwischen Kunst und Volk“. Bijelic delegiert nun die Ausführung direkt an den Kaufinteressenten, unter Anleitung eines Kunststudenten. Im November wird er diese interaktive Methode in einer Ausstellung in der Galerie Matice Hrvatske in Zagreb präsentieren.
Milivoj Bijelic wendet sich gegen Schubladendenken, und er schätzt die Vorstellung von Heimat. Dies betrifft ein weiteres konzeptuelles und doch so praktisches Projekt, an dem er seit 2006 arbeitet. Unter dem Namen „Et in Barbaria Ego“ hat er einen Verein gegründet, der den Umbau des Alten Schulgebäude in Bribir an der kroatischen Adriaküste zum Kulturzentrum vorantreibt. Unterstützende Ausstellungen fanden unter anderem im Kunstmuseum Bochum und im Museum in Zagreb statt. Sein Beitrag dazu war eine „Wunderkammer“, wie er sagt, u.a. mit Werken von Düsseldorfer und kroatischen Künstlern, ja, aus der ganzen Welt, noch als Statement gegen Nationalismus. - Und, im Atelier, woran arbeitet er derzeit selbst, neben den Rasterbildern? Er wendet sich dem bewahrenden Umgang mit den Resten der Wegwerfgesellschaft zu. Er erstellt aus Obstnetzen und Verpackungsmaterial Reliefs oder Objekte hinter Glas. Die fluktuierenden buntfarbigen Faltungen und Verschiebungen kennzeichnet erneut das Moment des Schillernden: die netzartige Struktur als Ordnung, Transparenz und Solidität.
Milivoj Bijelic
nimmt am 10./11. September an den Kunstpunkten in Düsseldorf teil.
Atelier: Gatherweg 60
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