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Porträtfoto: Hartmut Bühler, 2020

Karl Heinz Rummeny

Wieder und immer

Wie mit der Kunst aufhören, wenn sie einem zufällt. Eine Skulptur, die Karl Heinz Rummeny symptomatisch für sein ganzes Werk sieht, besteht aus einem amorphen Zementklumpen, durch den ein Eisendraht führt. Rummeny präsentiert dieses Objet trouvé auf einer Metallplatte an der Wand. Seine Vorgehensweise impliziert, dass, übertragen in Form, Kontext und Inhalt, vieles zu Kunst werden könnte. Auf ein einziges künstlerisches Medium ist er ohnehin nicht festzulegen. Skulpturen sind ebenso entstanden wie Male­reien auf Papier wie Bücher mit visuellem und textlichem Fremdmaterial. Auch auf der Fläche erweist sich Vorgefundenes als Impetus für das weitere Vorgehen.

Karl Heinz Rummeny wurde 1956 in Bad Lippspringe geboren. Er hat zunächst Kunstgeschichte und Germanistik an der Universität Köln studiert und ist dann an die Kunstakademie Münster gewechselt, erst zu Johannes Brus und dann in die Klasse von Timm Ulrichs. Rummeny entwickelt hier skulpturale Werke aus Gestrüpp, Hölzern und rohen Baumaterialien, mit denen er, ausgehend von ihrer Stofflichkeit, elementare Situationen schafft. Ein wiederkehrendes Motiv ist die Leiter mit ihren parallel geführten Vertikalen und Horizontalen zum Erklimmen einer Höhe, die sonst nicht zu bewältigen ist. Rummeny umwickelt Seile partiell oder ganz mit Draht, verstärkt und verbirgt sie dadurch. Natur und Technik treffen in der skulpturalen Geste zusammen. Das Lehnen, ein steiles Aufragen und die unendlich fortsetzbare Linie beschreiben serielle Raster, eigene Felder und konstituieren noch eine zeichnerische Präsenz, auch im Liegen auf dem Boden. Dies führt zu einem raumbezogenen Werk mit einem Glaskubus aus vier aufgerichteten Flächen, durch den mittels gebohrter Löcher eine Strickleiter führt: Rummeny spricht von einem symbolischem Raum, der wie bei einer Krise zu überwinden sei. Hier wie bei den anderen „Leitern“ treffen Ge­gen­­sätze aufeinander, geht es um Innen und Außen, um Kon­zen­tration und das Bannen von Energie, festgehalten mit einem elementaren, ja, archaischen Vokabular in einer lapidaren Materialität.

Karl Heinz Rummeny kommt auf Joseph Beuys zu sprechen, dem er erstmals auf der documenta 1972 begegnet ist und Jahre später im Atelier am Drakeplatz besucht hat und dessen Werk er so sehr schätzt, dass er bislang drei Beuys-Ausstellungen kuratiert hat. „Im Grunde bin ich immer noch ein Anhänger, von Beuys, unbedingt“, hat Rummeny im Gespräch mit Carl Friedrich Schröer gesagt. Aber auch ergänzt: „Sein Jünger bin ich deshalb noch lange nicht.“ (Eiskellerberg TV, Sept. 2013)

Das demonstrieren auch die Werke, die seit seinem Wechsel im Wintersemester 1979/80 von Münster nach Düsseldorf an die dortige Kunstakademie entstehen. Als Gründe für den Wechsel des Studienortes nennt er die Suche nach einer positiven Aussage seiner Arbeit, die Hinwendung zur Farbe. In der Klasse von Gerhard Hoehme, der in seinem informellen Werk Aspekte des Malerischen und des Plastischen verbindet, malt Rummeny abstrakte Aquarelle auf Papier. Und er fügt sie in eine Folge von Büchern mit dem abgetippten Text von Rimbauds „Eine Zeit in der Hölle“ ein, meist in der Verbindung des Wassers mit Wachskreide, wodurch eine Abstoßungs­reaktion stattfindet. Ausgestellt waren diese Bücher 1982 in der Galerie Niepel.

Ebenso geht er mit der Farbe in den Raum. Er ordnet gefaltete farbige Stoffe zu einem Stapel an. Und er streicht den Boden des Klassenraumes blau. In einem Abbruchhaus an der Neu­sser Straße geht er wenig später radikaler vor. Dort trägt er an der Wand farbige Scheiben reliefhaft auf und umfängt sie mit einem Farbkreis. Er fügt Hölzer in das Mauerwerk ein, welches er dafür aufgerissen hat. Zwei vertikale Balken stehen mit Abstand parallel in der Wand und definieren so erneut ein Dazwischen als – metaphorische – räumliche und zeitliche Strecke. Eine weitere Möglichkeit, bestimmte Phasen zu über­­­stehen, sei es, sie zu durchtanzen, sagt Rummeny. Dazu hat er 1986 drei spiralige Kreise aus Metall­stäben versetzt übereinander aufgehängt. Figürlich ist wiederum seine auf Duchamp anspielende „Studie zum kleinen Glas“, die er in seinem letzten Akademierundgang 1984 ausstellt. Ausgehend von vorliegendem Fotomaterial, hat er drei Liebespaare in eine Glasplatte graviert, die Mann und Frau und zwei Frauen und zwei Männer zeigen.

Karl Heinz Rummeny hält im Gespräch inne. Hier könnte eigentlich die Geschichte seiner Kunst enden, zumal er deren Ausübung anschließend heruntergefahren hat. Hingegen tritt ab 1997 das PARKHAUS in den Vordergrund: ein Ausstel­lungs­raum, den er mit seinen Künstlerkollegen Gregor Russ und Jost Wischnewski in einem Gartenhaus auf dem Park­gelände des Malkasten etabliert hat und seit Ende 2008 alleine kuratiert und organisiert. Neben einzelnen herausragenden Positionen (wie Christian Marclay, Palermo und Imi Knoebel) zeigt er hier vor allem junge Künstler*innen aus dem Umfeld der Düsseldorfer Kunstaka­demie. Daneben wird er eingeladen, auch an anderen Orten Aus­stel­lungen zu kuratieren, so haben er und Jost Wischnewski 2008 in der Kunsthalle am Grabbeplatz das PARKHAUS-Projekt mit Werken der Künstler vorgestellt, die zuvor dort vertreten waren.

Aber dann entstehen doch auch eigene Fotografien und Aqua­­relle und Collagenbücher. Oder Filme. 1993 hält sich Rummeny für ein dreiviertel Jahr in Rom auf und kann im Atelier von Gerhard Hoehme in Nemi arbeiten. Während dieser Zeit realisiert er einen 10-stündigen Film, der, begleitet von beiläufigen Alltagsgeräuschen, seine Wahrnehmung der Atmosphäre in Rom festhält. Später nimmt er vergleichbare, auf unspektakuläre Phänomene ausgerichtete Filme in London und in New York auf. In Rom entsteht unter anderem auch ein umfangreiches Collagenbuch, das, in Fotokopien von Print­material, etliche von ihm bewunderte Persönlichkeiten zeigt, beginnend mit Masaccio, auch Eva Hesse, Cy Twombly und Jannis Kounellis, Beuys und Duchamp ebenso wie Ezra Pound, Pasolini, Bob Dylan oder Nietzsche, begleitet von Zeitungs­artikeln zum Tagesgeschehen und zeichnerischen und malerischen Notaten – eine Form der Zusammenstellung, die auch seine späteren Collagenbücher, die mit Motiven der Abfolge und der Zeitlichkeit handeln, kennzeichnet.

Durchgehend entstehen Fotografien in Farbe und in s/w, teils als Einzelbilder, teils als Serien. Sie widmen sich der Landschaft und der Natur und kommen wieder auf den Menschen zurück. Da sind die
drei Automatenfotos, die Rummeny von sich frontal und beim Essen sowie beim Trinken zeigen und die er vergrößert abzieht (2000). Eine andere, obsessiv ausführliche Fotoserie mit einem einzigen Modell entsteht 2003 bis 2005, gelagert in großformatigen Abzügen als Material für die „Sieben Bücher über Enis“, als Projekt, das er bis heute nicht im Buchformat zusammengefasst hat. - Die Skulptur bleibt eine Möglichkeit, natürlich: In jüngster Zeit trifft dies auf eine zerstörte Glasvitrine zu, die zuvor Kunst aufbewahrt hat. Sie symbolisiert nun Kostbares und Wertloses zugleich, ist als ursprünglich schützende Hülle hier selbst zu ihrem Inhalt geworden.

Dem indirekt entsprechend, ergibt sich für Rummeny daneben die Frage, ob das kuratorische Bespielen eines Raumes über mehr als zwei Jahrzehnte nicht auch eine künstlerische Aktivität sei. Erst recht jetzt stellt sich diese Überlegung, da mit dem Abriss der seitlichen Gebäude im Malkastenpark in kürze auch das PARKHAUS verschwinden wird. Nach ihm selbst stellen noch Katharina Sieverding und Nika Span aus, und dann sieht man, wie es weitergeht.

Karl Heinz Rummeny – some early works and a new one
bis 11.11., Sonntag 14-18, Mittwoch 18-21 Uhr.

PARKHAUS im Malkastenpark
Jacobistraße 6a
40211 Düsseldorf

TH

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