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Johannes Schütz
Porträtfoto: Matthias Horn

Johannes Schütz

Raum mit einfachen Mitteln

Wie frei ist das Bühnenbild? Johannes Schütz, einer der bedeutenden Bühnenbildner hierzulande und Professor an der Kunstakademie Düssel­dorf, spricht dessen Gebun­den­­heit an. „Ein Bühnenbild wird um 19 Uhr hingestellt und um 23 Uhr wieder weggeräumt. Das macht die Sache sowieso schon irgendwie ver­­­­­dächtig.“ (Gespräch über Phä­­­dra, Salzburger Festspiele 2010) Das Bühnenbild reagiert auf die Stücke und die Vor­ga­ben der Räume und er­­wächst aus der Zusammenarbeit mit dem Regisseur und in der Beobachtung der Schauspieler. Ohnehin, „alleine würde es gar nicht existieren“ (Rede zur Verleihung des Faustpreises 2011).
Diese nüchterne Erkenntnis und Vorbehalte gegenüber dem Terminus – denn das Bühnenbild solle weder illustrieren noch dekorieren – fördern den gelassenen Umgang mit dem ästhetischen Potential aller Maßnahmen. Diese entwickle er am liebsten allmählich über lange Zeit, sagt Johannes Schütz. Was freilich bei Texten, die erst zwei Monate vor der Premiere vorliegen, ein frommer Wunsch ist. Er habe es sich zum Grundsatz gemacht, nicht zu sehr auf das Stück und die Raumsituation zuzugehen, sondern etwas dagegen zu setzen, was die Wirkung der Schau­spieler verstärkt – ihre Energie potenziert, sagt Jo­­hannes Schütz beim Podiumsgespräch im Central – und die Zwi­­­schentöne des Stückes zum Vorschein bringt. Dabei auch das Publikum im Blick behält, also nichts zu kompliziert macht ...
All das trägt dazu bei, mit der Kunstform Bühnenbild Eigenes zu entwickeln, auch wenn Schütz Stil ablehnt und für seine Büh­nen­bilder eine Einteilung in Phasen aufgrund der wiederkehrenden Zusammenarbeit mit bestimmten Regisseuren vorzieht. Liest man das Werkverzeichnis seiner Bühnenbilder, das 1971 (in einer Regie von Luc Bondy) einsetzt, so fällt vor allem die teils jahrzehntelange Zusammenarbeit mit der Choreographin Reinhild Hoffmann und mit Frank-Patrick Steckel und mit Roland Schimmelpfennig, der seine eigenen Stücke inszenierte, sowie – in jüngster Zeit – Karin Beier auf. Ein Glücksfall für das Theater, von dem gerade auch Düsseldorf profitiert hat, war das freundschaftliche Zuspiel mit Jürgen Gosch, der beide Theatermänner beeinflusste. Bei Johannes Schütz führte dies von der Abfolge von bis zu vier Bühnenbildern hin zum durchgehenden, karg eingerichteten Raum.
Zu den Auszeichnungen, mit denen Johannes Schütz geehrt wurde, gehören der Deutsche Theaterpreis, der Nostroy-Preis, die Goldmedaille der Prager Qua­drien­­nale und Preise der Kritikerumfragen von Theater heute. Schütz wurde 1950 in Frankfurt/M. geboren. Er hat bei Wilfried Minks an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg studiert und war von 1972-74 sein Regieassistent an den Staatlichen Schau­spiel­bühnen in Berlin. Dort erhielt er auch seine erste Anstellung als Bühnenbildner und Kostüm­bildner.
Im Laufe von vier Jahrzehnten hat er seine Büh­nenbilder mehr und mehr reduziert. Oft lässt er das Stück in konstruktiv orientierten Begrenzungen, auch in Kuben spielen. Für „Hamlet“ (2013) hat er aufragende Raumsegmente labyrinthisch angeordnet und farbig beleuchtet. Ein besonderes Gespür hat er für Materialität und Substanz. „Onkel Wanja“ (2008) spielt in einem mit Lehm verputzten Raum, in dem die Schauspieler auf einer langgestreckten Bank sitzen. Der Lehm wird das gesamte Stück über mit destilliertem Wasser feucht gehalten.
Die Entleerung der Bühne geht weiter – Johannes Schütz fügt hinzu: im Verhältnis zur inneren Verfas­sung der Akteure – , etwa beim „Zerbrochenen Krug“ (2004) mit lediglich zwei Stufen in einem Guckkasten. Beim „Kaufmann von Venedig“ (2015) wird der weiße Raum dominiert von einer 600 kg schweren schwarzen Kugel, die das ganze Stück hindurch pendelt. Bestimmte Motive und Hand­lungsweisen der Schauspieler greift Schütz in anderer Konstellation wieder auf. Etwa die Verwendung von Reihen von Tischen. So nun auch im „Michael Kohlhaas“ im Düsseldorfer Schauspielhaus. Im Aus­weichquartier gibt es selbst keine Bühne. Diese ent­­steht nun aus den grauen Flächen aus 17 Reihen zu 17 quadratischen Tischen – Johannes Schütz spricht von der Anmutung einer „deutschen Grun­dierung“ – , darüber schwebt ein Segel aus weißem Papier. Tische und Segel aber verändern sich im Laufe des Stückes.
Anlass für dieses Gespräch im Central war neben dem „Kohlhaas“ die Neuerscheinung einer Mono­graphie, welche die jüngeren Bühnenbilder von Johannes Schütz dokumentiert und seine Arbeits­weise verdeutlicht. Schütz schaltet 1:20-Modelle vor. Von diesen macht er Fotos, welche die Szene vom Puppenhauscharakter befreien und einen distanzier­ten Blick ermöglichen. Daneben fertigt er knappe Kontur-Zeichnungen an, die eine Grundidee bannen. Diese und die Fotografien verfügen über ein enormes autonomes Ausdruckspotential. - Ganz unabhängig ist jetzt seine Installation in der Brücke des Central: Er hat Reihen leuchtender Glühbirnen an langen schwarzen Kabeln aufgehängt. Auch dies ist lakonisch und lapidar, wie eine Geste, opulent aber in der Wahrnehmung: als ganz erstaunliches Kraft­feld.

Auch im April finden mehrere Aufführungen des „Michael Kohlhaas“ (Regie Matthias Hartmann, Bühnenbild Johannes Schütz) im Düsseldorfer Schauspielhaus statt.
Außerdem ist jetzt bei Hatje Cantz das Buch „Johannes Schütz. Modelle und Interviews, 2002-2016“ erschienen.

Thomas Hirsch

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