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Irina und Marina Fabrizius, Porträtfoto: Ben Hermanni, Lemgo

Irina und Marina Fabrizius

Das hellste Licht

Die Ausstellung von Irina und Marina Fabrizius, die das Kunst­­haus Artes vor ein paar Wochen in der Galerie Berlin auf der Auguststraße in Berlin-Mitte zeigte, umfasste sieben großformatige Ge­­­mälde. Diese Bilder – in sich nuancierte Farbflächen mit Folgen von horizontalen Farb­streifen oder einem Quadrat oder Kreis mit unscharfen Verläufen – reichten, um die Räume mit Licht zu erfüllen. Das am weitesten entfernte, der Glastür gegenüber hängende Gemälde leuchtete bis auf die Straße: „Quadrat Gelb in Flandernblau“ (2016, 200 x 200 cm). Zentriert im blauen Grund sitzen, parallel zum Bildrand, sich umschließende Bänder in hellerem Blau, Gelbtönen und Rot­orange, wobei diese Abfolge um den hellsten Streifen gespiegelt ist. Im Inneren sammelt sich das Blau des Grundes als kontemplatives Feld. Das Licht scheint zu pulsieren, die Bänder scheinen auf verschiedenen Ebenen vor dem Bildgrund zu schweben: Eindrücke, die sich mit der Annäherung an das Bild verstärken. Der lichte Kreis bei anderen der Bilder verfügt wiederum über eine Korona. Diese Bilder sind reine Malerei; von nahem sind ihr Duktus und ihre Substanz zu erkennen.

„Allein durch die Farbe entstehen Licht und Räumlichkeit“, sagen Irina und Marina Fabrizius im Atelier in Reisholz. Der malerische Auftrag erfolgt in Lasuren vom Hellen ins Dunkle. Auf der weiß grundierten Leinwand setzen die Beiden etliche hauchdünne, transparente Farbschichten; jede Schicht muss trocknen, bevor es weitergeht. Und die nasse Farbe muss schnell und gleichmäßig aufgetragen werden, das geht nur, indem die Zwillinge gleichzeitig malen. Voraussetzung dafür sind das blinde Verständnis untereinander und die gleiche malerische Handschrift.

Irina und Marina Fabrizius wurden 1981 in Kustanai in Kasachstan geboren. Dort sind sie auf dem Land aufgewachsen. Sie berichten im Atelier vom gemeinsamen (aber ge­­trenn­­ten) Malen schon als Kinder und von den prägenden Naturerfahrungen, die sie gelehrt haben, genau hinzusehen und ein Farbgefühl zu entwickeln. 1990 wandert die Familie ins Württembergische aus, wo die Beiden zunächst die Freie Kunstakademie Nürtingen besuchen. 2006 wechseln sie an die Kunstakademie Düsseldorf. Sie studieren in der Klasse von Herbert Brandl, bei dem sie als Meis­terschüler abschließen und der sie – ein Ritterschlag – an seine Grazer Galerie vermittelt. Ihr erstes gemeinsames Bild entsteht im Laufe des Studiums, eigentlich als Rettungsversuch: Die eine malte in dem Abschnitt weiter, in dem die andere nicht weiter wusste. In der Folge malen die Beiden zusammen filigran realistische Naturstudien in einer mitunter surrealen Gestimmtheit. Die Vegetation setzt sich in diesen Bildern in die Tiefe fort und wird dabei als quasi haptisches Erlebnis geschildert. Der Horizont als Trennung des Bildes basiert da noch auf der Aufgabenteilung bei der Malerei.

Über die Entdeckung der Lasurmalerei führt dies ab 2010 zur abstrakten Farbmalerei, die aber mitunter noch Hinweise auf Natur, Landschaft oder Wetterphänomene enthält. So lauten schon die Titel, neben nüchternen Angaben zur Form und zu den Farben, etwa „Landschaft See“, „Mond“, „Wald Türkis“ und „Nebel Landschaft“: Diese weisen zugleich auf das Unfeste und Atmosphä­rische in diesen so präzisen Bildern hin. Und die symmetrische Organisation etlicher der Bild verweist häufig noch auf die Spiegelung der Sonne auf der Wasserfläche. - „Wir malen unsere Hori­zonte“, sagen die Beiden. Sie halten fest, was im Kopf nicht zu fixieren ist. „Kannst du dich erinnern, wie der gestrige Sonnenuntergang ausgesehen hat?“ Irina zeigt ein Foto, einen Schnappschuss auf den Rhein. „Das ist doch unglaublich! Dieses Licht möchten wir in der nächsten Zeit malen“.

Die Verknappung ihrer Bilder geht mit größter Opulenz, ja, sinnlicher Pracht einher. Vorschnell lassen sich diese Malereien von Mal zu Mal kunsthistorisch verorten. Etwa zum Konstruktivismus, damit auch zur Hard Edge Malerei – aber sie sind ohne scharfe Begrenzungen. Klar, dass in den Rezensionen über sie die Lichtinstallationen im Umfeld der Minimal Art erwähnt werden, François Morellet wäre auf europäischer Seite zu ergänzen. Irina und Marina Fabrizius bleiben jedoch auf der Fläche und lassen sich von daher vielleicht neueren Tendenzen der Farbfeldmalerei zuordnen.

Und dann lässt die Abfolge horizontaler farbiger Streifen noch an die Konzentration der naturbelassenen Landschaft in Kasimir Malewitschs Spät­werk denken. Aber die Bilder von Irina und Marina Fabrizius sind ausschließlich und frei von Narra­tion. Als gegenwärtige Erfahrung malen sie Bilder, die man sich gerade nicht merken kann in Farb­tönen, welche man wohl nie zuvor gesehen hat: als Statement, wie reich und unbegreiflich Licht als ästhetisches Phänomen und Grundlage unseres Lebens ist.

Irina und Marina Fabrizius
19. März bis 30. April im Kultur Bahnhof Eller, Vennhauser Allee 89, Tel. 210 84 88,
www.kultur-bahnhof-eller.de

TH

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