Wie aus heiterem Himmel lag das Buch in der Post. Es ist überwältigend. Nur Fotografien, schwarz-weiß, meist ganzflächig über die Doppelseite, kein Text. Zu sehen sind Aufnahmen von VA Wölfl zu Woodstock, dem legendären Musikfestival von 1969. Wölfl war damals dabei und hat vor, auf und hinter der Bühne, bei der Anfahrt der Besucher und in der durch das Unwetter versprengten Menschenmenge fotografiert. Wahrscheinlich hat niemand den Regen, der alles überflutet, so intensiv festgehalten wie Wölfl.
Das rauschhaft Synästhetische des Geschehens geht in die Dramaturgie des Buches ein. Dieses setzt Widerstände, lässt sich mit seinem Format, der Schwere des Kunstdruckpapieres und seinem Umfang nicht leicht blättern und fordert Zeit und Aufmerksamkeit ein. Einzelne Aufnahmen kehren minimal verschoben, mit Unschärfen oder in Umkehrung von Schwarz und Weiß wieder. Wiederholen sie sich nicht auch direkt? Wölfl interessieren bestimmte Themen und Aspekte, die er in Bildsequenzen vertieft und wiederholt aufgreift. Unter den Musikern ragt für ihn Joe Cocker mit seiner nicht perfekten Motorik heraus, die auch gekonnt sein will ...
VA Wölfl ist Performance- und Installationskünstler, Maler, Fotograf und Fotokünstler, Schöpfer von Tanztheaterstücken, und mit all dem auch Bildhauer. In bester Erinnerung ist der Schokoladenraum, den er 2010 im Skulpturenmuseum Glaskasten Marl verspachtelt hat, begleitet von einem Schokoladenbrunnen. Er wurde 1944 in Rouen geboren. Nach dem Studium der Malerei an der Sommerakademie Salzburg hat er 1966-69 an der Folkwang Hochschule Essen Fotografie bei Otto Steinert und Willy Fleckhaus studiert. Anschließend lebte er einige Jahre in New York und arbeitet dort als Modefotograf. Später war er als Bühnenbildner u.a. bei Johann Kresnik tätig, ehe er 1985 mit Wanda Golonka das Ensemble Neuer Tanz gründete, das er heute in Benrath leitet und, wie er es formuliert, chor(e)ographiert. Im Buch „Woodstock“ nun lassen sich einzelne Motive und Konzepte destillieren, die in den Stücken von Neuer Tanz anklingen, sei es der instabile Mythos Amerika, die Klischees des Populären und Wohligen oder die Rolle des Publikums, überhaupt die Bühne und ihre Überwindung, das Imperfekte der Bewegung und der Taumel; schließlich die Wiederholung und Verzögerung … Das Buch ist im vergangenen Jahr erschienen, zeitgleich zum „o. T.“ betitelten Stück, das im November in Benrath Premiere hatte und sich ebenfalls auf Woodstock bezieht. - Aber ganz so einfach ist es in und mit den Stücken von VA Wölfl dann doch nicht. Also, dem entsprechend, das Buch ist Programmheft, Dokumentation der Atmosphäre des Festivals, autonome Story, Bildband mit Fotografie – und das jeweils sensationell.
Das Buch „VA Wölfl - Woodstock“ ist im Format 36x29,5 cm und mit 220 Seiten in verschiedenen Varianten erschienen; es ist bei NEUER TANZ im MARSTALL Schloss Benrath und über den Buchhandel zu erwerben.
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