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Andreas Schulze, Brille, 1984, Acryl auf Nessel, 200 x 400 cm (2-teilig)
© VG Bild-Kunst, Bonn

Andreas Schulze

Romantik im Alltag

Keine Überraschung in der Kunsthalle Bielefeld, nicht mit Andreas Schulze. Nicht nur, weil seine Ausstellung (die parallel zu der von Holger Bunk stattfindet) auch frühe Bilder umfasst, und nicht nur, weil auch diesmal die Präsentation in ihren Durchblicken und dem ostentativen Hängen an blinden, unkonventionellen Stellen auf die Raum situation hin ausgerichtet ist, sondern auch weil sich Andreas Schulze in seiner Malerei über die Jahrzehnte treu geblieben ist. Seine Gemälde – in Acryl auf Nessel, meist großformatig, oft zweiteilig – rufen noch das gleiche Erstaunen (die Verblüffung, das Rätseln) hervor wie ganz am Anfang, in den achtziger Jahren. Schon damals waren seine Bilder regelmäßig in der Galerie von Monika Sprüth zu sehen. Ein Ausgangspunkt war das kulturelle Klima in Köln, in dem gerade die junge, „wilde“ Malerei Fuß fasste. Andreas Schulze, der 1955 in Hannover geboren wurde und zu nächst an der Gesamthochschule Kasel und dann an der Kunstakademie Düsseldorf studiert hat und nach wie vor in Köln wohnt, malte zeitweilig in einer Halle mit den Künstlern der „Mülheimer Freiheit“. Und doch war seine Malerei schon immer sehr anders – ganz eigen –, schon allein was die Sujets betrifft: Menschen gibt es auf seinen Bildern nicht zu sehen, wenngleich die Darstellungen auf unsere urbane Zivi lisation (deren Farben und Muster, deren Konsumartikel und Design) verweisen. Gegen die Direktheit der „Jungen Wilden“ setzt Andreas Schulze die Distanz. So wie in seinen Bildern selbst Fernseher und Durchblicke vorkommen, so ist das gesamte Bild auf Abstand gesetzt, so als blickte man durch eine Glasscheibe oder ein Fernglas. Daraus entsteht eine Unschärfe, die mit der Weichheit der Dinge korreliert, die wie mit Stoff bezogen scheinen. Die Sterilität einer Raumkapsel mit ihrem nostalgischen Touch verstärkt das Gefühl der Verlassenheit. Die Bildräume wirken riesig, wie entleert und die wenigen Dinge in ihnen ausgesprochen wichtig und Aufmerk samkeit gewinnend. Sie sind banal oder wirken als Luxus profan, dabei fern von jedem Ereignis, etwa wenn es sich um eine (riesige) Erbse oder um die Perlen einer Kette handelt.

Denkbar ist, dass Schulzes malerische Würdigung des banalen, isoliert auftretenden Gegenstands von der Kunstszene in Düsseldorf beeinflusst ist. Schulze studiert an der dortigen Akademie in der Malerei-losen Zeit der Minimal und der Concept Art. „Die „Kastenbilder“ reflektieren diese Erfahrung“, hat Andreas Schulze im Gespräch mit Wilfried Dickhoff gesagt. „Es sind abgemalte Don Judd-Kästen. Die hineingemalten Gegenstände sollen zeigen, dass das abgestellte Weinglas auf einer Mini mal skulptur nicht das Problem des Künstlers, sondern das des Betrachters ist.“ (Flash Art, 129, 1986) Dieter Krieg kam dabei als Maler, der in seiner eigenen Kunst banale Sachen in expressiv pastoser Malerei monumentalisierte und dazu aus ihrem Kontext nahm, undProfessor einer Malklasse gerade richtig. Andreas Schulze malt stofflich,dabei akkurat, fast penibel. Die Dinge werden bei ihm geheimnisvoll, sie befindensich in Räumen, mitunter als Requisiten des Wohnlichen (wie ebenKonsolen oder Kom mo den) oder eben als weite, zum Muster hin stilisierteLandschaften mit Bäumen oder Bergen. Die Valeurs mit der Romantik desSonnenuntergangs werden mitunter mit der Realität von Autoauspuffen odereines Verkehrsstaus konfrontiert.

Andreas Schulze, der seit 2008 Professor für Malerei an der Kunstakademie in Düsseldorf ist und längst als einer der bemerkenswertesten und eigenständigsten Maler seiner Generation etabliert ist, vermeidet den öffentlichen Auftritt. Selbst verschwindet er hinter den Bildern, die in ihrer opulenten, beharrlichen Kargheit indes autobiographisch durchdrungen sind. Der Mensch als solcher ist ohnehin durch die Stellvertretungen zugegen – wie etwa bei jenem frühen Gemälde, in dem eine Brille ordentlich abgelegt ist, so dass auch der Betrachter durch sie schauen kann. Und natürlich gibt es in der Kunsthalle Bielefeld doch noch Überraschungen. Mitten im Bild sind in jüngster Zeit weiße Balken mit Schrift aufgelegt, diese ganz knapp, nicht mehr als nötig, wie Reklame oder konkrete Poesie. Die Schriftzeile ist ebenso Bestandteil neuerer Hochformate, die in ihrer Ausrichtung augen blicklich an Porträts denken lassen. Formatfüllend zeichnet sich, ein bisschen wie eine Karikatur in abstrakt konstruktiver Formensprache, ein Gesicht ab, unterstützt durch die Schrift aus drei Buchstaben. Wie gesagt, nicht mehr als nötig.

ANDREAS SCHULZE
An Aus Laut Leise, bis 3. Juni in der Kunsthalle Bielefeld,
www.kunsthalle-bielefeld.de

TH

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