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Wasserfarbe auf Papier, 30 x 38 cm
Foto © Seoyoung Yun

Seoyoung Yun

o.T., 2023

Ein dichtes Gewebe aus Pflanzen und Wurzeln reckt sich aus braunen Erd­schich­ten an die trübe Luft. Die Pflanzen umranken Fische. Oder mutieren sie zur Hülle fischköpfiger Kreaturen, die ihre Mäuler öffnen? Im Dreiklang winden sich diese Fischwesen an geäderten braunen Pflöcken empor, die Ge­dan­­ken an Zigarren oder Phalli aktivieren. In aller Ambivalenz rufen sie manchem auch die Dreier­kreuzigungsgruppe in Erinnerung, die in der westlichen Kultur durch zahlreiche Gemälde so vertraut ist. Vergänglichkeit klingt an, wie sie in Stillleben variantenreich inszeniert wird. Hier artikuliert sie sich durch die matten Farben, die aller lebendigen Frische entbehren. Flie­gen sind hier wie dort Anzeiger des Lebens im Verfall und der Verwesung. Die hochgereckten Fischmäuler lassen eher an Lebensnot denken als an einen freudigen Happen.

Ob Wurzeln, Blätter, Fischkörper, Fliegen - alle erscheinen in ihren Konturen präzise. Sie erscheinen nicht lehrhaft im Querschnitt oder in verschiedenen Phasen ihres Wachstums wiedergegeben. Doch wie in früheren zeichnerischen Sammlungen, die neu entdeckte Pflanzen zur klaren Identifizierung unverkennbar abbilden sollten, sind die einzelnen Elemente in Bewegung festgehalten. Dabei bleibt ihr Zusammenspiel rätselhaft. Fliegen sind in dichter Erde nicht Zuhause, Fische halten sich ihrer Natur gemäß im Wasser auf. Die horizontalen Linien verraten nicht eindeutig, ob sie Erde, Luft oder Was­ser voneinander scheiden. Und hat eine Assoziation mit der Dreierkreuzi­gungs­­gruppe hier wirklich etwas zu suchen?

In bedeckten, kühlen Erdtönen zieren die dargestellten Kreaturen harmonisch aus­ba­lanciert das Hochformat. Das spielerische Ringen um die Vor­herr­­­­­schaft erzählerischer Darstellung oder reiner Ornamentik erschwert ein geruhsames Einnorden des Verstehens. Die zeichnerische Anlage ist keiner konkreten künstlerischen Bewegung zuzuordnen. Die fast surreal an­­muten­de, gegenständliche Malerei bietet nur fragmentarisch Ansätze der Ausdeu­tung. Seitlich angeschnitten scheint sich das Blatt- und Wurzelwerk in der Horizontalen unendlich weiter zu erstrecken, so dass das Bild nur einen Aus­schnitt aus einem breiten Band zeigt.

Ein Stillleben animiert zur Meditation über die Vergänglichkeit. Seoyoung Yun variiert diese Funktion, indem sie Mehrdeutigkeiten herbeiführt, die man zunächst als reale Natur zu erkennen meint, die sich jedoch in ihrer gleichviel rätselhaften wie ornamentalen Eigenart einem festen Zugriff entziehen. So spielt die Künstlerin mit Sehgewohnheiten, die über Begriffe wie Bild­gattung und Ikonographie Zugänge zu einem Werk suchen. Sie hält Bildge­nuss und analytisches Verstehen­wollen reizvoll in der Balance.

www.seoyoungyun.com

Aus der Reihe „Kunst-Stücke“
In dieser Reihe schreiben Studierende der Kunstgeschichte an der H.-Heine-Universität Düsseldorf über Kunstwerke Düsseldorfer Künstler und Künstlerinnen.

Anna Schlüter

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