Einem eher weiblichen Bilderkosmos ist eine Welt vergangener Tage unterlegt. Nur unten am Rande tauchen zwei Männergestalten auf. Ein korpulenter Mann in matt rosa Hose und weißem Hemd spielt für sich allein mit Ball und Tennisschläger. Der andere kniet nieder, um eine junge Frau mit Sonnenbrille, in spanischer Bundhose zu photographieren. Sie frischt mit Hilfe eines kleinen Spiegels ihre Schönheit auf. Ihre spanische Hose taucht oben im Bild als blow up noch einmal auf, allerdings nur bis zur Taille, schwarzsamten deutlich körperhaft ausgepolstert mit Beinen, die in roten Pumps fußen. Vor allem die verschnörkelte Fadenführung des seitlichen Hosendekors zieht die Blicke an. Im Übrigen kein Oberkörper, kein Kopf, keine Arme. Neben dieser Hose taucht vor mattem Rosa eine weiße Architekturzeichnung auf, in der zwei Öffnungen, von hohem Spitzbogen überwölbt, an den Blick in eine Mundhöhle erinnern.
In der oberen linken Bildhälfte balancieren zwei schlanke Beine ebenfalls in roten Pumps auf einer braunen Kugel. Davor scheint eine gezeichnete Faust einen Finger unter die Pumps zu schieben.Auch diese Beine enden abrupt. Hinter den Fußknöcheln ist eine Querflöte zeichnerisch angedeutet. Oder ist es eine einfache Vorhangstange? Eine bemalte quadratische Fläche mit Kreismustern, einer Frau auf einem Autodach sitzend, einem Gebäude mit großem Fenster wirkt wie ein Schild und erinnert an Illustrierte, hinter denen sich Leser mit dem Oberkörper verschanzen. Zwei Frauenbildnisse in einer Kleidung, die man vor 1900 datieren mag, tauchen wie Modepuppen zwischen den genannten Bildelementen auf. Sie betreten die große Bühne und sind ebenso verloren wie alle anderen Figuren. Die eine im Zentrum, kokett mit Schirm, legt ihre rechte Hand auf eine kleine schwarze quadratische Fläche, der zwei weitere unterhalb folgen. Ein Schalter? Eine Schrifttafel mit chinesischen, bedeutungstragenden Zeichen? Der Schirm tippt an ein gezeichnetes Auto. Die andere Figur scheint mal um die Ecke zu schauen und ihre Handtasche auszuführen. Auf quadratischen weißen Kacheln gemalt, erscheint alles im einheitlichen Raster klar vermessen und auf festem Boden, doch die Bilder scheinen schwerelos im Raum zu schweben. Auge um Auge heißt der Titel. ‚Zahn um Zahn‘ ist in Druckbuchstaben unterhalb eines gemalten großen Backenzahns zu lesen. Aus der Bergpredigt im alltäglichen Sprachgebrauch gern zitiert, stört dieser altbekannte, abrechnende Faktor das verträumte Weiden an sonnigen Erinnerungsbildern. Wie eine Zange kneifen hartnäckig Bildtitel und gemalter Zahn samt Schriftimplantat in den genüsslichen Zeitvertreib. Sie stören. Ganz beiläufig taucht diese Erkenntnis auf und hakt sich fest.
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Aus der Reihe „Kunst-Stücke“
In dieser Reihe schreiben Studierende der Kunstgeschichte an der H.-Heine-Universität Düsseldorf über Kunstwerke Düsseldorfer Künstler und Künstlerinnen.
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