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Chaïm Soutine, La Place du village, Céret, 1920, Öl auf Leinwand, 76 × 94 cm, The Israel Museum, Jerusalem.
© The Israel Museum, Jerusalem, by Avshalom Avita

In die Seele sehen

Chaïm Soutine in der Kunstsammlung NRW am Grabbeplatz

Eine Ausstellung mit Chaïm Soutine (1893-1843) war überfällig, überhaupt und wo auch immer. Der einzelgängerische Maler, der Konzepte der Moderne und des Existenzialismus radikal umformte, ist leider noch immer zu wenig bekannt. Und dabei elektrisieren seine Bilder in ihrer malerischen Intensität und dem Pulsierenden der Farbmaterie! In ihren energischen Verschiebungen und dem beschleunigt Zügigen ihrer Linien! Jetzt zeigt die Kunstsammlung NRW am Grabbeplatz rund 60 Gemälde überwiegend aus der Zeit von 1918 bis 1928.

Chaïm Soutine wurde in der Nähe von Minsk als zehntes von elf Kindern eines Flickschneiders geboren. 1913, in einer Zeit, die von Armut und Entbehrungen geprägt war, übersiedelte er nach Paris, wo er ein baufälliges Atelier am Montmartre bezog. Er konnte an der Académie des Beaux-Arts Malerei studieren und bildete sich in den Museen an den großen Malern weiter. Rembrandt und El Greco beeinflussten ihn nachhaltig. Ein Freund war Amadeo Modigliani, der ihm den Kontakt zu einem Galeristen vermittelte, der ihm ab 1919 längere Aufenthalte in Südfrankreich ermöglichte. In diesen Jahren wendet sich Soutine der Erfassung der Landschaft und der Ortschaften in ihnen zu. Zumal im überschauenden, perspektivisch verzerrenden Blick scheinen die Architek­turen zu verrutschen, alles wird schwankend. Das Sehen befreit sich von der mentalen Korrektur. Der Duktus ist expressiv und fauvistisch. Die Farben glühen. Weitere Genres, mit denen er bekannt wird und 1927 seine erste Galerie­ausstellung in Paris erhält, sind Stillleben und geschlachtete Ochsen. Besonders ab Mitte der 1920er Jahre wendet er sich Porträts unterprivilegierter oder unbeachteter Berufsgruppen zu, denen er sich in Serien annähert, Zimmer­mädchen, Pagen oder Messdienern. Die Anlage im Bildformat ist zentriert, die sitzenden Figuren nehmen das ganze Format ein. Aber Soutine hat die Körper, ihre Gliedmaße aus dem aufgewühlten monochromen Malgrund herausgeschält, andererseits drückt die Farbmaterie von allen Seiten. Das trifft sich mit den Verzerrungen der Physiognomien und Verdrehungen der Glied­maßen. Und doch blicken diese Persönlichkeiten in ihrer Uniform den Betrachter selbstbewusst und voller Stolz an: Zu sehen sind aufgewühlte Erzählungen von existenzieller Tiefe. Chaïm Soutine war ein Künstler für Künstler, gewiss bewundert von Willem de Kooning über Francis Bacon, Frank Auerbach und Bernard Buffet bis hin zu den „Jungen Wilden“. Aber: Chaïm Soutine war eine Liga für sich.

Chaïm Soutine – Gegen den Strom , 2.9.-14.1. in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Grabbeplatz

www.kunstsammlung.de

Thomas Hirsch

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