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Der Wille zum Werk

Die biograph Buchbesprechung von Thomas Laux

Das Werk des jung verstorbenen Schriftstellers Jörg Fauser ist nie völlig in Vergessenheit geraten, Werkausgaben gab es immer wieder, die erste bereits drei Jahre nach seinem überraschenden Unfalltod 1987. Aktuell ist Fauser zum zweiten Mal mit einer Werkausgabe im Diogenes Verlag vertreten, und das Projekt hat bereits ordentlich an Profil und Breite zugelegt, wobei es sich beileibe nicht bloß um Marginalien aus dem Nachlass handelt; vor zwei Jahren gab es den Briefwechsel mit seinem Freund und Bukowski–Übersetzer Carl Weissner; und seit kurzem liegt ein Band mit Briefen an seine Eltern vor – kein wirklicher Briefwechsel (Briefe seiner Erzeuger sind nicht erhalten), doch lassen sich die Inhalte der elterlichen Repliken aus Fausers Briefen oftmals nachvollziehen.
Fausers Weg zum Schriftsteller war überaus steinig. Um finanziell überleben zu können, musste er in journalistischen Nebenbereichen arbeiten, so schrieb er für den „tip“ in Berlin, auch für den „Playboy“, war bei Mitbegründer der einen oder anderen Underground–Zeitschrift, ließ dabei aber nie sein Ziel aus den Augen: seine Geschichten und Gedichte auch zu veröffentlichen.
Von all dieser Mühe liest man in diesen Briefen. Formal fällt auf, dass Fauser seine Briefe über alle Jahre tatsächlich mit der kindlich anmutenden Floskel „Liebe Mami, lieber Papi“ beginnt und damit auch zu verstehen gibt, dass er eine unverbrüchlich intakte Beziehung zu ihnen – der Vater war Kunstmaler, die Mutter Schauspielerin – unterhielt; da ist so gut wie nichts, überraschenderweise auch nicht in den unruhigen 1960er–Jahren, was den Anschein von Aufmüpfigkeit oder gar Rebellion gegen Elternhaus oder gesellschaftliche Institutionen erweckt. Die den damaligen Zeitgeist bestimmenden linken Theorien prallen an ihm ab, womöglich beeinflusste ein elterlich intakter Künstlerhaushalt ihn also stärker, als dass diese Prägung spürbaren Widerstand hervorrief. Das ist insofern interessant, als die meisten Künstlerbiografien dieser Zeit sich eher als konkretes Gegenmodell, als allumfassende Emanzipation, begreifen. Nicht so bei Fauser.
Notorisch fehlt ihm Geld, besonders deutlich wird das bei den Auslandsaufenthalten in London oder Istanbul. Das Erbitten um finanzielle Zuwendung lässt auch nie nach, selbst wenn es in der Regel nur zweistellige DM–Beträge sind. Die Eltern helfen ihm, er kann sich darauf verlassen. Umtriebig wirkt er, kreativ–nervös, ein Wille zum künftigen Werk ist spürbar, doch bei den eingereichten Manuskripten zeigen sich zahlreiche Verlage reserviert. Fauser kommentiert: „Dieser Herr von Hanser also findet das alles der Mühe nicht wert“, den Ton empfindet er „von oben herab (…), besserwisserisch und arrogant“, und: „(…) lieber gehe ich meinen Weg als mit solchen Leuten Kompromisse zu schließen“. Er kann sich eine Zeitlang mit Drehbüchern und Hörspielen über Wasser halten, auch mit Übersetzungen. Für den „Playboy“ fliegt er nach Los Angeles, um Charles Bukowski zu interviewen. Seine ätzenden Invektiven gegen das politisch Linke, gegen Friedensbewegung und das „Froschkonzert der sogenannten Intellektuellen“ wirkt vor allem: reaktionär; richtig unangenehm aber ist seine Verteidigung Ernst Jüngers anlässlich des Goethepreises 1982 oder sein Eintreten für Kurt Georg Kiesinger, dem ehemaligen Bundeskanzler mit Nazi–Vergangenheit. Dafür liefert er feine Seitenhiebe auf die betuliche Literatur deutschsprachiger Provenienz, so etwa auf Handke mit seinen „prätentiösen Sätzchen“.
Fauser reflektiert das Zeitgeschehen, auch das literarische, jederzeit parteiisch. Gewiss muss man nicht all seine Einlassungen gutheißen, aber dass hier jemand das Schreiben zu einem existenziellen Daseinsgrund erkor und es mit Verve vertrat, nimmt man ihm allemal ab.
Jörg Fauser: Man hängt halt so an dem, was man hat. Briefe an die Eltern. Diogenes Verlag, Zürich 2023, 463 S., 25.-€

aus biograph 09/23

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