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Albert Oehlen
Foto: © Albert Oehlen / VG Bild-Kunst, Bonn

Albert Oehlen

Attraktion der Malerei

„Unsere Bäume zu vergleichen, ist nicht unbedingt sinnvoll“, sagt Albert Oehlen zur Aus­stel­lung mit Carroll Dunham in der Kunsthalle. „Ein Vergleich unserer Werke macht allerdings schon Sinn. Wir könnten also in der Überschrift eigentlich „Baum“ streichen.“ (Interview Katalog, S. 99) Erst recht anhand dieses Vergleichs wird bei beiden Künstlern deutlich, was ihre bildnerischen Strategien sind und was das Originelle und dabei Zeitgenössische ihrer Malereien jeweils ausmacht. Anhand des traditionellen Sujets lotet Albert Oehlen sein Ver­hältnis zum Medium der Malerei und zur Kunstgeschichte aus; sensationell ist schon, wie er die Differenz zwischen abstrakt und gegenständlich aushebelt. Er selbst hat im Hinblick auf sein Werk von „post-ungegenständlich“ gesprochen. - Ja, es sind noch Bäume, gerade noch, ohne Blätter, auf weißem Grund. Der Stamm und die Äste sind partiell mit rechteckigen Feldern in zart verlaufenden, mitunter wolkig ausfransenden Farbbahnen unterlegt, die das Silhouettenhafte der langgestreckten Achsen mit ihren organischen Wucherungen betonen. Oehlen malt mit Ölfarbe, auch Tusche, teils sprayt er die Farbe – und dann stellen sich immer mehr Einfälle ein, wird die Sache innerhalb des vorgegebenen Kanons freier und freier. Die Bäume vollführen Kapriolen, ihre ausgreifenden Gesten verselbständigen sich hin zur Meta­mor­­phose. Sie erinnern an Skulpturen aus der Kunstgeschichte oder lassen an ein Möbelstück, gesehen von oben, denken, dessen Gestell auf der Fläche in den Raum abspreizt. Jedes Bild ist tatsächlich anders. Möglich sind die Glätte und die tonale Nuancierung dadurch, dass Oehlen Dibond-Platten als Bildträger verwendet. Aus dem Kalkül der Effekte erwächst das Bildlicht, das – hier nun wie im Gegenlicht – eine Heroisierung im Sinne der Malerei der deutschen Romantik erzeugt. Hingegen lässt das Abzweigende im Vordergrund, das auch in anderen Werkgruppen Oehlens vorkommt, plötzlich die Geschichte der Raster von Piet Mon­drian anklingen. Aber bei Oehlen bleibt die räumliche Vorstellung gegenwärtig. Dazu zeigt die Kunsthalle noch, halb verborgen hinter der Treppe, eine Installation wie eine Ver­suchs­an­ordnung, die die einzelnen Elemente dieser Bilder mit Abstand zueinander anordnet – als ironisiere sich Oehlen selbst oder lasse sich ja doch ganz ernsthaft bei der Bildentstehung über die Schulter schauen. Nichts ist ganz ausgeschlossen. Derartige Befragungen und Selbst­referenzen gelten auch für ein Bild, bei dem Luftpolsterfolie nun ganz konkret auf der Malerei liegt, also in Umkehrung zu den Gemälden selbst. Auch hier wird die Verwendung der einzelnen Bausteine vor Augen geführt – wie eine Berechenbarkeit und ein Versprechen für‘s Künftige, das dann sowieso unterlaufen wird, schon dadurch, dass so viel bei Oehlen parallel passiert und er immer noch einen Schritt weiter ist.
Deutlicher wird dies derzeit in seiner Einzelausstellung in der Serpentine Gallery in London. Sie zeigt neben der das ganze Werk durchziehenden neoexpressiven Malerei auch nüchterne Konturzeichnungen surreal anmutender Figuren. Elektronischer Sound ist ein weiterer Be­­stand­­teil der Schau. Ausgangspunkt in den Kensington Gardens aber waren für Oehlen die Rothko Chapel in Houston, auf die er sich mit vier neuen großen Male­reien bezieht, sowie – vor allem für die Zeichnungen – das Gemälde „Tramonto Spaventoso“ (1940-49) des amerikanischen Malers John Graham, mit dem sich Oehlen seit zwei Jahrzehnten immer wieder be­­schäftigt. Die Serpentine Gallery verdeutlicht dabei, wie sehr die Werkgruppen miteinander verzahnt sind, sie zeigt Beispiele aus dem gesamten Werk. In der Kunsthalle Düsseldorf sind ebenfalls Gemälde aus den 1980er Jahren dabei: Bereits in dieser Zeit findet sich das Baummotiv, als bildfüllende Verschlingung, die den Blick verstellt und zugleich leitet.

Geboren 1954 in Krefeld, etablierte sich Albert Oehlen mit kaum 30 Jahren als einer der spannendsten, originellsten Maler der Gegenwart, der sein zweifelndes Verhältnis zum Gegenstand und der Aktualität des Mediums mit diesem selbst thematisierte. Ausgehend von der expressiven Gegenständlichkeit in der Malerei und dadaistischer Haltung lässt er schon bald die Figur verschwinden und verknappt Architekturformen, mitunter in Konzentration auf die Primärfarben. Albert Oehlen kooperiert in diesen Jahren mit seinem Bruder Markus und mit Werner Büttner; vor allem mit Georg Herold und Martin Kippenberger arbeitet er zusammen, die er teils von seinem Studium bei Sigmar Polke in Hamburg kennt. Mit einem leicht unterkühlten Selbstbewusstsein, dem alle Medien der künstlerischen Artikulation offen stehen, treten diese Künstler ganz anders auf als die Mülheimer Freiheit oder die Berliner Jungen Wilden vom Moritzplatz. Seine erste Einzelausstellung hat Oehlen 1981 bei Max Hetzer in Stuttgart. In Düsseldorf ist er in den 1980er Jahren (aber nur in diesen) recht gut präsent, schon 1982 bei Arno Kohnen und der CCD Galerie, 1984 bei „Von hier aus“ in den Messehallen und 1988 am Grabbeplatz bei der „BiNationale“.

Mitte der 1980er Jahre entstehen die Malereien von Selbstporträts, die an der Inszenierung als Dandy rütteln – oder diese noch bestärken: Albert Oehlen malt sich, in ein nächtliches Clair-obscur gehüllt, in Unter­hosen mit der blauen Mauritius, mit der Palette, einem Totenschädel oder einem Pferd. Zeitgleich verschwindet in anderen Bildern das Gegen­­ständliche inmitten gestisch hingeworfener, partiell transparenter Farb­schlieren. Dann wieder liegt ein vertikaler Strang changierender Farb­bahnen vor den Farbbewegungen. Neben der Arbeit mit unattraktiv wirkenden, gebrochenen Farben gehört die linear züngelnde Bewegtheit bis heute zu den wiederkehrenden formalen Aspekten der Malerei. „Form hebt Gesinnung auf, hat aber ihre Substanz nur in dem, was an Inhalt aus ihren Strukturen spricht“, hat Wilfried Dickhoff im Katalog der Kunsthalle Zürich 1987 geschrieben – es gilt mehr denn je für die Bäume, die als Werkgruppe u.a. mit s/w-Tusch-Zeichnungen und Radierungen seit 2013 entstehen.

Jedenfalls, die Malerei von Albert Oehen ereignet sich in Werkgruppen, die das Medium Malerei und die Malhandlung demonstrativ vor Augen führen. So entstehen ab Ende der 1980er Jahre farbige Abstraktionen in Schlieren und Bahnen, in denen etwa ein hyperrealistisch gemalter Augapfel auftaucht. Das setzt sich in Format füllend grauen, kraftvoll gemalten Bildern fort, bei denen das Gegen­ständliche wie im dichten Nebel nur noch ahnbar ist. Nächster Schritt ist ein abstrakter Ex­­pressionismus aus kräuselnd verschlungenen Knäueln und Wolken auf der horizontalen Mitte: leichthin über dem weißen Grund. Von der Malerei kann Oehlen auch künftig nicht lassen, auch wenn er Siebdrucke mit Text-Bild-Kombinationen, die an Werbung erinnern, erstellt und erst recht nicht bei seinen Siebdrucken und Malereien nach abstrakten Ausdrucken des Computers. Später folgen – unter anderem – teils großformatige Collagen aus Werbematerial, teils mit malerischen Interventionen: Das Spezifische heutiger Bildproduktion wird bei all dem noch befragt ...

Die Ausstellung in der Kunsthalle ist auch eine Würdigung von Albert Oehlen, der, weltweit ausgestellt und seit 2015 Ehrendoktor des Art Institute of Chicago, von 2000 bis 2009 eine Professor für Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf inne hatte. Aus seiner Klasse kommen Max Frintrop, David Ostrowski oder Jana Schröder. Nach Jahren in Spanien lebt er mittlerweile im winzigen Ort Gais im Schweizer Kanton Appenzell. Seine Malereien von Bäumen demonstrieren zugleich Grüble­risches und Einzelgängerisches wie eine weltmännische Souveränität. Anmutungen des Digitalen sind ebenso gegenwärtig wie eine intensive Hinwendung zum Hand­werk. Und auch hier sind es, wie schon in früheren Werkgruppen, die Struk­turen des Jazz, aber auch das Potential elektronischer Musik, die Albert Oehlen nicht aus dem Kopf gehen: die Improvisation, die von der Organisation und dem Rhythmus aufgefangen wird, Variation und Serialität und schließlich das Sampling.

Carroll Dunham / Albert Oehlen – Bäume / Trees
bis 1. März in der Kunsthalle DüsseldorfGrabbeplatz 4, Di-So 11-18 Uhr.
Die Ausstellung in der Serpentine Gallery läuft bis 2. Februar.

TH

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