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Ouverture April
Jovan Stojsin

Warum die DEG sterben muss

Ouvertüre Biograph April 2012

Es quakt, es zirpt, es zwitschert. Es raschelt, es weht, es rauscht. Es riecht, es stinkt, es duftet. Es ist Frühling. Definitiv. Da können kurzfristige Regen- und Kälteeinbrüche nichts dran ändern. Frühling ist die schönste Zeit. Im Frühling sind alle Menschen schön, weil sie aussehen wie befreit von einer langen Diktatur. Die Gesichter hellen sich wieder auf.

Monatelang wurden sie nur beschienen vom fahlen Licht der Bildschirme, vom Blitzen der neusten Nachricht auf Facebook, vom Zwitschern, das sich twittern nennt, von zerhäckselten Informationen, die sich auftürmen zu einem riesigen Berg der Nichtigkeit.

Würde man mal einen Tag innehalten und sich fragen, was von dem, das man in den vergangenen drei Monaten in die Tasten gehauen hat, wirklich wichtig war, wirklich essentiell, dann fiele die Antwort wohl kurz aus. Trotzdem tippen wir wie die Irren. Die einen auf dem PC, die anderen am Smartphone. Immerzu tippen wir. „Bin hier. Wo bist du?“, lauten die Aussagen oder „Machste gerade?“ Wie wäre es, mal mindestens einen Tag digital zu fasten, innezuhalten und alle Kommunikationsgeräte abzuschalten. Einen Tag lang nicht simsen, twittern oder sonstwie Dünnpfiff ins Netz zu lassen.

Geht nicht, höre ich gerade, weil doch demnächst das Internet verboten wird. Steht in ACTA sagen sie und begehren auf. Das Internet werde zur neuen DDR, prophezeien sie. Obwohl im Gesetz nur steht, was ohnehin schon gilt. Dass man geistiges Eigentum nicht stehlen darf, was viele trotzdem gerne machen und deshalb meinen, dass es schon in Ordnung geht. Sie haben es als Digital Natives ja nie anders gelernt. Das hat natürlich was von DDR. Auch die jungen Menschen dort konnten sich darauf berufen, es nie besser beigebracht bekommen zu haben. Und möglicherweise muss der Begriff des geistigen Eigentums im Angesicht der digitalen Revolution tatsächlich überdacht werden.

Aber ACTA ist als Begriff nunmal so schön kurz, dass es eine Schande wäre, wenn man nicht dagegen protestieren würde. ACTA eignet sich als Schlachtruf auf der Straße, und dass junge Menschen auf die Straße gehen, ist ja per se mal schön, gut und angebracht. Ob da als Grund das Recht auf freie Raubkopie herhalten muss, müsste möglicherweise noch diskutiert werden.

Überhaupt kommt diskutieren wieder schwer in Mode. Die Piraten machen es sehr schön vor. Sie diskutieren sich in Grund und Boden und predigen Offenheit, was nach sehr viel Anstrengung klingt. Ich meine, wenn ich mir meine Privatsphäre doch schon nehmen lassen muss, dann doch lieber von gesprächsbereiten jungen Menschen und nicht von irgendwelchen Googles oder Facebooks, wo ich, wenn ich nicht aufpasse, ohnehin nur noch die Antworten bekomme, die ich erwarte. Weil sie mein Verhalten und meine Erwartungen irgendwann kennen und die Antworten auf meine Fragen daher entsprechend sortieren. Immer muss ich aufpassen, dass ich mich nicht zu sicher fühle. Da diskutiere ich doch lieber mit den Piraten und schaue, ob man ihnen nicht demnächst in den Landtag helfen kann. Damit sie da mal so für Unruhe sorgen wie das früher die jetzt arrivierten Grünen getan haben. Die haben was, die Piraten. Obwohl sie alle wirken, als seien sie direkt nach ihrer Geburt auf einer PC-Tastatur gewickelt worden, sprechen sie noch mit dem Mund, setzen sich auseinander.

Die Piraten täten auch Düsseldorf ganz gut. Es reicht eben nicht, wenn man einen Pleiteverein wie die DEG mit dem von den Toten Hosen genehmigten Totenkopfsymbol aufpeppt. Es gehe darum, den Verein zu retten, heißt es. Weil es doch früher mal so schön war mit der DEG. An der Brehmstraße. Weltkulturerbe wollten die Schlittschuhläufer allen Ernstes werden, was natürlich die Frage provozierte, wann sie denn zum letzten Mal in den Spiegel geschaut und ob sie jemals einen ihrer mickrigen Auftritte verfolgt hätten.

Die DEG ist ein schönes Beispiel, wie das hierzustadt funktioniert. Erst zerlegt man im gnadenlosen Gewinnstreben einen Verein, raubt ihm den Namen, dann noch das Stadion und wundert sich schließlich, dass in der neuen seelenlosen Halle, die irgendwo ganz draußen liegt und deren Name auch verkauft wurde, kein Mensch mehr zuschaut. Atmosphäre futsch, Fans futsch. Wo nur noch Geld und Vermarktbarkeit regiert, geht die Seele flöten. So einfach ist das. Aber trotzdem wird gejammert, und dann sollen ausgerechnet die Toten Hosen als Seelenretter her. Man weiß dabei nicht, wer tiefer gesunken ist, die Hosen oder die DEG. War es nicht gerade das Unfertige, das Improvisierte, das Spontane, das die DEG einst auszeichnete? Nichts mehr davon ist vorhanden. Und so einen Verein soll man retten? Jene, die jetzt nach Subventionen schreien, sind sonst übrigens die eifrigsten Verfechter der Marktwirtschaft, die jede Griechenlandhilfe ablehnen. Was spricht eigentlich dagegen, die DEG pleite gehen zu lassen und als schöne Anekdote in der Stadtgeschichte zu verbuchen.

Der selige Steve Jobs hat mal gesagt, dass der Tod eine prima Sache ist, weil er Platz macht für den Wandel. Also, liebe DEG: Get out of the way. Lassen wir Neues wachsen, und begreifen wir junge Menschen, die sich engagieren als Landschaftspfleger einer sich wandelnden Gesellschaftsnatur. Dazu gehören die Piraten ebenso wie jene, die gegen ACTA protestieren. Menschen, die etwas bewegen wollen, die ihren Mund aufmachen und nicht nur tippen, sind ungemein wertvoll fürs Gemeinwesen.

Hören wir ihnen zu. Sie sind die Blüten eines gesellschaftlichen Aufbruchs. Gebt ihnen Raum. Lasst ihre Kreativität wuchern. Dann wird auch im Kopf bald wieder Frühling.

Hans Hoff

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