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#hoff

Die biograph Ouvertüre August 2015

Hashtag mit meinem Namen. Dazu meine Facebook-Kennung und mein Twitter-Account. Schnell noch meine neuen Bilder bei Instagram hochladen. Puh, das kostet Zeit, aber ich will ja präsent sein im Netz. Ich will dabei sein, Teil werden dieser schnellen jungen Welt, die sich virtuell auftürmt in unglaubliche Höhen.

Ich lasse meinen Wagen jetzt vernetzen. Das bringt einen günstigeren Tarif bei meinem Versicherer, und mit meiner Uhr dokumentiere ich meine sportlichen Aktivitäten. Geht zack zack an meinen Krankenversicherer. Schon wieder was gespart. Früher musste man sich popelig im Sportverein anmelden, um einen Bonus zu kassieren. Heute reicht dafür ein Armband.

Ich bin online, ich habe zu tun. Ich bade in meinen Daten und spritze sie in alle Welt. Soll doch jeder wissen, was ich tue. Ich habe nichts zu verbergen. Don't be evil. Das sagen meine Freunde aus der Netzwelt. Ich bin nicht evil. Ich bin gut. Also meistens.

Wer nicht gut ist, den erwartet demnächst ein digitales Knöllchen. Vielleicht nicht nächstes Jahr. Aber bald danach. Ich bin mir sicher. Warum auch nicht? Soll er halt nicht evil sein, soll er sich ordentlich verhalten.

Wer jetzt fragt, wer denn festlegt, was evil ist, gehört zu den Langweilern, zu den Boring Old Farts, zu den Bremsklötzen im Netz. Irgendwer wird halt schon festhalten, was evil ist. Wenn man sich anständig verhält, passiert schon nichts. Und wenn dann eine Regierung die Latte fürs evil-Sein herabsetzt, wen juckt's. Dann verhalte ich mich eben ein bisschen angepasster. Hauptsache, ich bin dabei.

Wenn alles überwacht wird, geht es bestimmt auch jenen an den Kragen, die ins Netz all das kippen, was nicht mehr in ihr eigenes Klo passt. Die kriegen dann eine Strafe. Bestimmt.

Na gut, es wird auch ein paar kritische Stimmen treffen, die es wagen, Maßnahmen der Regierung zu kritisieren. Was soll's? Kollateralschäden muss man in Kauf nehmen. Haben wir im Irak gelernt. So schlimm ist das auch nicht. Also nicht für mich. Ich bin ja nicht evil.

Wenn dann die Krankenkasse meinen Tarif raufsetzt, weil ich dreimal hintereinander nicht gejoggt bin, dann ist das halt so. Können die sachbearbeitenden Computer doch nicht wissen, dass ich gerade ein bisschen traurig bin, weil mich meine Liebste verlassen hat. Sollten sie auch nicht wissen, weil sie ja sonst vielleicht jemanden schicken, der mich wegen Depressionsverdacht in solch eine seltsame Jacke steckt, so eine mit dem Reißverschluss hinten.

Ich bin frei, ich kann mit meinen Daten tun, was ich will. Soll sie der Staat doch ruhig speichern so lange er will. Dient doch der Verbrechensabwehr. Sind schließlich schon ganz viele Verbrechen dadurch verhindert worden. Sagen die Staatsschützer. Nun gut, es sind nicht ganz so viele Verbrechen, die durch die Vorratsdatenspeicherei verhindert wurden. Eigentlich keine. Aber es könnte ja sein, dass irgendwann mal Verbrechen dadurch verhindert werden.

Kluge Menschen bei der Polizei haben jetzt schon ein Programm, mit denen sie voraussagen können, wo demnächst eingebrochen wurde. Das kann man problemlos ausweiten auf Menschen, die möglicherweise demnächst straffällig werden. Wer böse Dinge tut, wer als Bürger protestiert, der muss halt damit rechnen, dass er mal etwas kräftiger, etwas handfester überprüft wird.

Das kann viele treffen, weil manche Menschen ja noch denken, sie könnten im Netz sagen, was sie denken. Ja, dürfen sie. Aber sie dürfen sich auch nicht wundern, wenn sie dann ins Visier der Staatsschützer geraten. Schließlich ist doch Sicherheit unser Supergrundrecht. Sicherheit vor Freiheit. Das zählt.

Ich meine, wer braucht Freiheit? Ist doch eher lästig, immer alles selbst zu entscheiden. Besser ist doch, einer erledigt das für mich. Meine sozialen Medien denken doch schon ganz prima für mich mit, und das, was Facebook und Twitter nicht in meine Blase lassen, überwacht halt der Staat.

Natürlich kriegen sie dann auch genau mit, was ich so tue. Früher habe ich mal gegen all die Kameras in der Altstadt protestiert. Wie naiv. Letztens habe ich dann noch ein Bild ins Netz gestellt. Die Venus von Milo. Ohne Arme aber mit nackten Brüsten. Daraufhin hat Facebook meinen Account gesperrt. Unangemessenes Material hätte ich da gepostet, sagen sie. Prima, mit Nacktheit in der Kunst können die blöden Amis nichts anfangen, aber jeder rechte Pöbler darf sein Urin im Netz verpieseln. Da müsste man doch....

Entschuldigung, ich muss zur Tür. Der Staatsschutz hat ein paar Fragen an mich. Hätte ich mir auch denken können. Wahrscheinlich war ich jetzt doch ein bisschen zu evil. Geschieht mir recht. Muss ich schnell posten...

Hans Hoff

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