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Shortbus
USA 2006, FSK 18
Regie: John Cameron Mitchell
Darsteller: Lee Sook-Yin, Paul Dawson, Lindsay Beamish, PJ DeBoy, Raphael Barker, Jay Brannan, Peter Stickles

In schöner Regelmäßigkeit bringt das Filmfestival in Cannes einen Film mit Skandalfaktor hervor, der - meist aufgrund expliziter Sexszenen - die Gemüter erregt. In diesem Jahr war es John Cameron Mitchells in einer Mitternachtsvorstellung gezeigtes Werk "Shortbus". Der aktuell freizügigste Film, der außerhalb der Pornobranche gedreht wurde, ist nicht nur ein ambitionierter Frontalangriff auf die Sehgewohnheiten des Publikums, sondern auch ein ebenso warmherziges wie provozierendes Porträt von Menschen auf der Suche nach Nähe und wahrer Liebe. "Shortbus" beginnt mit einer furiosen Kamerafahrt über eine plastische New-York-Collage, die direkt in drei Wohnungen landet, in denen es im wahrsten Sinne des Wortes "zur Sache" geht. Während der homosexuelle Jamie, beobachtet von einem Voyeur aus der Wohnung gegenüber, in einer wahrhaft akrobatischen Aktion versucht, sich selbst oral zu befriedigen und das Ganze mit der Kamera festzuhalten, lässt die Domina Severin in ihrem Studio mit Blick auf Ground Zero einen ihrer Kunden auf unkonventionelle Weise ein Gemälde im Stile Jackson Polloks ergänzen. Ein paar Blocks weiter versucht Rob vergeblich nach allen Regeln der Sexualkunst seiner Frau Sofia, einer Sextherapeutin, zum ersten Orgasmus ihres Lebens zu verhelfen. Die Wege der in der Eingangssequenz vorgestellten Personen kreuzen sich, als Jamie mit seinem Freund bei Sofia eine Paartherapie bucht, um seiner langjährigen Beziehung wieder mehr Schwung zu verleihen. Als Sofia den beiden ihr eigenes Sexproblem gesteht, gibt Jamie ihr den Tipp, einmal den Club "Shortbus" aufzusuchen, eine Art wöchentlicher "Salon" der Dragqueen-Legende Justin Bond, in dem Gleichgesinnte über Kunst, Politik und vor allem Sexualität in all ihren Spielarten kommunizieren. Regisseur John Cameron Mitchell, der schon mit seinem in Deutschland bisher unveröffentlichtem und in Sundance preisgekröntem Off-Musical "Hedwig and the Angry Inch" für Furore sorgte, fand seine Darsteller im Rahmen eines offenen Castings und hat das Drehbuch gemeinsam mit ihnen erarbeitet. "Shortbus" ist ganz bewusst als Provokation gegen den prüden Konversatismus der Busch-Regierung konzipiert. "If you can't do elections you might as well do erections", fasste Mitchell augenzwinkernd in Cannes seine Intention zusammen. In der Tat wartet "Shortbus" mit einigen drastischen Szenen auf - etwa wenn bei einem schwulen Dreier ein erigierter Penis als Mikrofonständer benutzt wird, um die amerikanische Nationalhymne zu schmettern. Diese sind aber immer mit einem Augenzwinkern versehen und zeigen, dass Sex auch im Zeitalter von Aids nicht nur Probleme, sondern durchaus auch Spaß machen kann. Und auch wunderbar anrührende Szenen gibt es in "Shortbus" zu erleben, zum Beispiel eine zarte Annäherung zwischen einem dem ehemaligen New Yorker Bürgermeister Ed Koch frappierend ähnlichen alten Mann und einem jungen Schwulen. "Shortbus" lebt nicht zuletzt durch eine bisweilen surreale Bohme-Stimmung, die im Bauch der Metropole New York versucht, in einer Post-9/11-Ära den Geist der späten 60-er Jahre wiederaufleben zu lassen, als man noch glaubte, durch sexuelle Befreiung die Welt zu einem schöneren und friedlicheren Ort machen zu können. "It's like the sixtees except with less hope", fasst dies die sich selbst spielende New Yorker Szene-Ikone Justin Bond zusammen. Doch gerade diese bewusste Naivität macht den Film letztlich so sympathisch.

(Anne Wotschke, playtime by biograph)

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