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Oh Boy

Oh Boy
Deutschland 2012, Laufzeit: 88 Min., FSK 12
Regie: Jan Ole Gerster
Darsteller: Tom Schilling, Marc Hosemann, Friederike Kempter, Justus von Dohnányi, Michael Gwisdek, Katharina Schüttler, Arnd Klawitter, Martin Brambach, Andreas Schröders
>> www.ohboy.x-verleih.de

Einen Publikumspreis nach dem anderen gewinnt der sympathische und äußerst kunstvolle Debütfilm von Jan Ole Gerster, und zwar völlig zu Recht. In poetisch melancholischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen driftet Tom Schilling darin als orientierungsloser Mitzwanziger durch Berlin und muss sich mit jeder Menge skurrilen Typen und absurden Situationen auseinandersetzen - dabei will er doch einfach nur einen normalen Kaffee.

Bereits der sanfte Auftakt mit weißer Schrift auf schwarzem Grund untermalt von verträumter Jazz-Musik evoziert nicht zufällig Erinnerungen an Woody Allens Meisterwerk „Manhattan“. Allerdings macht Jan Ole Gerster trotz der gelungenen Momente einer Hommage etwas wunderbar Eigenes daraus. Denn neurotisch sind hier vor allem die anderen. Der stets etwas zerbrechlich wirkende Niko (Tom Schilling) ist irgendwas Ende zwanzig, hat sein Studium schon vor Jahren geschmissen, was er seinem ehrgeizigen Vater, der weiter zahlt, natürlich nicht verraten hat und lässt sich nachdenklich durch die Hauptstadt treiben. Er hat keine Ahnung, was er vom Leben will, was die Frau, die sich für seine Freundin hält, zu spüren bekommt, als er sich einsilbig aus ihrer Wohnung schleicht, doch er hat eine Ahnung davon, was er nicht will. Zum Beispiel Teil einer Gesellschaft zu werden, in der Unterwerfung und unbedingte Produktivität ein Muss sind. Aber Niko ist auch kein Rebell mit wehenden Fahnen, eher ein trauriger Holden Caulfield, der mit dem Begriff „erwachsen werden“ einfach nichts anfangen kann. Ähnlich wie in dem Kultbuch von J.D. Salinger begibt sich Niko auf eine mehr oder weniger unfreiwillige Odyssee durch die Großstadt und wird mit den seltsamsten Gestalten konfrontiert, die ihn mit ihren Problemen und Verrücktheiten bedrängen, während er höflich und hilflos zuhört. Sei es der notorisch einsame Nachbar, der sich in seine Wohnung zwängt, um ihn mit selbstgekochten Fleischbällchen zu terrorisieren, die hübsche, aber unterschwellig hysterische Julika, die ihre gemeinsame Vergangenheit unbedingt ausdiskutieren will oder der redselige Alkoholiker am Tresen seiner Lieblingskneipe, der am Ende eine überraschend starke Geschichte zu erzählen hat, die Niko vielleicht verändern wird. Oder auch nicht.

Das gelungene an Gersters Coming-of-Age-Film ist, dass er sich einer inneren Entwicklung, wie man sie üblicherweise erwartet, verweigert. Der Film driftet wie sein Protagonist von Situation zu Situation, ohne dass die Notwendigkeit bestünde, das Ganze auf etwas Bestimmtes hinauslaufen zu lassen – Gester entzieht sich der Erzählökonomie, wie Niko sich den Erwartungen der Gesellschaft an ihn verwehrt. Und so reiht sich ein poetischer Moment an den nächsten, mal fürchterlich komisch, dann wieder durchzogen von einer merkwürdigen Traurigkeit, welche sich in den dichten Bildern der Stadt wiederspiegelt, die fast schon ein eigener Akteur des Films ist. Dabei versucht Gester auch nicht einen weiteren gewaltsamen Beweis dafür zu liefern, wie unglaublich hip unsere Hauptstadt doch ist – ob am Filmset eines abstrusen Nazi-Spielfilms, an dem Niko lakonisch das geschäftige Treiben der Filmindustrie beobachtet oder auf einer lachhaften Performance-Kunst Veranstaltung, in die er gezwungenermaßen mitgeschleppt wird: Gerster entlarvt auch ein bisschen den Traum von Berlin und gibt dennoch ein mitreißendes Bild einer vielschichtigen Stadt. So ist ihm mit wenig aufwändigen Mitteln ein umso wirkungsvollerer Film gelungen, der sich ganz auf seine Atmosphäre und seine gelungenen Dialoge verlassen kann.

(Silvia Bahl - biograph)

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