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Die besten Jahre - La meglio gioventú

Die besten Jahre - La meglio gioventú
Italien 2003, Laufzeit: 358 Min.
Regie: Marco Tullio Giordana
Darsteller: Adriana Asti, Sonia Bergamasco, Paolo Bonanni, Alessio Boni, Valentina Carnelutti, Camilla Filippi, Fabrizio Gifuni, Claudio Gio, Luigi Lo Cascio, Maya Sansa, Riccardo Scamarcio, Giovanni Scifoni, Andrea Tidona, Jasmine Trinca, Lidia Vitale

Die Filme des 54-jährigen Italieners Marco Tullio Giordana nahmen schon früher bei konkreten historischen Ereignissen oder Personen ihren Ausgang: Die Ausschreitungen in einem belgischen Fußballstadion (Appuntamento a Liverpool, 1988), dem Mord am italienischen Autor und Regisseur Pier Paolo Pasolini (Pasolini, un delitto italiano, 1995), oder zuletzt der Lebensgeschichte des sizilianischen Antimafia-Aktivisten Peppino Impastato (I cento passi, 2000). Die Geschichte seines jetzt in Deutschland anlaufenden Films Die besten Jahre/ La meglio gioventú (2003) beginnt in den 60er-Jahren, reicht bis in die Gegenwart und versucht nichts weniger als eine Chronik der italienischen Nachkriegsgeschichte. Er erzählt ohne Hast die Geschichte einer der römischen Familie Carati, deren Harmonie von den geschichtlichen Entwicklungen nachhaltig gestört wird. Die über sechsstündige Familiensaga ist mehr als nur ein komplexer Historien-Bilderbogen, der politische Ereignisse wie Studentenrevolte, kommunistische Bewegung, die Erschütterungen des Terrorismus, die Bekämpfung der Mafia oder die gesellschaftlichen Umwälzungen der Wirtschafts-liberalisierung auf die große Leinwand bringt. Er zeigt, wie sich gesellschaftliche Entwicklungen tief in die Poren der individuellen Biographie eingraben, Identitäten formen und schicksalhafte Begegnungen hervorbringen. Die zahlreichen feingeflochtenen Handlungsfäden des Films laufen immer wieder bei den ungleichen Brüdern Matteo und Nicola zusammen. Während der versöhnliche, kommunikative Nicola (Luigi Lo Cascio) durch Skandinavien trampt, als linker Student auf die Barrikaden geht und sich schließlich als Psychiater für Patientenrechte und die offene Psychiatrie einsetzt, geht der eigenbrötlerische Matteo (Alessio Boni) zunächst zur Armee, wird später Polizist und zieht sich immer mehr von Freunden und Familie zurück. Als Nicola sich dann noch in die Pianistin Giulia (großartig: Sonia Bergamasco) verliebt, die immer tiefer in den terroristischen Untergrund versinkt, sind sämtliche Bestandteile für eine Schicksalstragödie griechischen Ausmaßes beisammen. Der Terroristenjäger Matteo ist der eigenen Schwägerin auf der Spur, während diese ein Attentat auf Carlo, der Ehemann der jüngsten Carati-Schwester und ambitionierter Staatsbanker, verüben soll. Seinen dramatischen Höhepunkt erreicht die Familiensaga, als Nicola seine Frau in eine Falle lockt, um sie auf diese Weise aus dem ewigen Kreislauf von terroristischer Gewalt und staatlicher Gegengewalt zu befreien. Zur gleichen Zeit setzt der in seiner sexuellen Identität verunsicherte Matteo seinem Leben ein Ende, nachdem auch eine Affäre mit der leidenschaftlichen Mirella ihn nicht aus der Isolation befreien konnte. Nach Matteos Suizid entwickelt sich sein Bruder Nicola zur beinahe allzu idealisierten Identifikationsfigur, und die Handlung nimmt Züge eines rührseligen Melodrams an. Nicola gibt den liebevollen alleinerziehenden Vater, der sich gegen die Verlockungen des Wohlstands als resistent erweist und sich als Psychiater lieber für seine seelisch kranken Patienten aufopfert. Natürlich wird er sieben Jahre nach dem Tod seines Bruder dessen ehemalige Geliebte wiederfinden und sie und Matteos Sohn in den Schoß der Familie zurückführen. Alles steht am Ende im Zeichen der Versöhnung, und so wird auch die inzwischen erwachsen gewordene Sara ihrer Terroristenmutter vergeben, die aus dem Gefängnis entlassen ihren Platz in Berlusconis neuem Italien sucht. Zu den schönsten Momenten des Films gehören auch die Panoramaperspektiven auf die sonnigen Metropolen Italiens und die Landschaftsidyllen der Toskana und Siziliens, welche die Sehnsucht nach einer heilen Welt bedienen. Doch immer wieder fügt Giordana als Kontrast dazu quasi realistische Fernsehbilder vom italienischen Polithorror in die Familiensaga ein: Die Opfer der Roten Brigaden, die Entführung von Aldo Moro, die parlermitaner Mafiamorde an Richter Falcone, die Mailänder Bestechungsskandale der "mani pulite". Deshalb ist diese melodramatische Erzählweise auch keine Kapitulation vor einer schlechten Gegenwart, auch wenn Giordana in einem Interview einmal resignierend bekannt hat, dass "die Gegenwart fast unlesbar geworden ist. Die italienische Realität ist zu komplex." Wenn sich in der Schlussszene von "Die besten Jahre" die alt gewordenen Protagonisten und ihre Kinder sich inmitten einer friedlichen toskanischen Landschaft zu einem harmonischen Familienfest versammeln, dann ist das nicht nur ein kitschiges Genrebild, sondern eine typisch italienische Utopie, die Werte wie Brüderlichkeit und Solidaridität gegen die Berlusconi-Kultur verteidigt.

(Ralph Winkle, playtime by biograph)

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