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Paradies: Glaube

Paradies: Glaube
Frankreich, Österreich, Deutschland 2012, Laufzeit: 113 Min., FSK 16
Regie: Ulrich Seidl
Darsteller: Maria Hofstätter, Natalya Baranova
>> www.paradies-trilogie.de

Im zweiten Teil seiner Paradies-Trilogie über die Suche dreier Frauen nach dem Lebensglück beleuchtet Ulrich Seidl die Religion oder besser gesagt den Fanatismus, als Motor der Triebabfuhr und privater Kriegsschauplatz. Die grandiose Maria Hofstätter spielt darin eine Katholikin, die Jesus in jeder Hinsicht liebt und fest entschlossen ist, ganz Österreich zu missionieren, bis ein Hindernis in Form ihres verkrüppelten Ex-Mannes auftaucht, der überzeugter Moslem ist und seine Frau zurück haben will. Seidl ist mit dieser bitterbösen und überraschend komischen Farce ein weiterer Höhepunkt in seinem filmischen Schaffen gelungen.

In „Paradies: Liebe“ haben wir bereits kurz Bekanntschaft gemacht mit der strengen Schwester der in Kenia auf Männerfang gehenden Teresa, welche Katze und Tochter nun im biederen Vorstadthaus von Anna (Maria Hofstätter) abliefert. Nachdem die phlegmatische Melanie schon bald ins Diätcamp für Jugendliche abgeschoben wird (dies verfolgt dann „Paradies: Hoffnung“ weiter) und das Haustier in die Garage gesperrt ist, kann Anna sich endlich den wichtigen Aktivitäten ihres Lebens widmen: zum Beispiel der ausgiebigen Buße. In ihrer mit christlichen Devotionalien gepflasterten Wohnung findet sich im Schreibtisch eine Geißel, mit der sie sich gern, oben herum frei gemacht, vor dem überdimensionalen Wandkreuz auspeitscht, eine weitere Möglichkeit ist das auf Knien durch die Wohnung Rutschen beim Rosenkranz aufsagen. Anna nimmt ihren Glauben ernst und möchte gerne, dass ihre Mitmenschen auch endlich zur Vernunft kommen. Deswegen fängt die Arbeit für die Arzthelferin in ihrem Urlaub erst richtig an. Dann hat sie nämlich Zeit mit der Wandermuttergottes auf Besuch zu gehen, besonders sozial Schwache und Migranten haben es ihr angetan. Unterstützung erhält Anna durch ihre militante Gebetsgruppe, in der ganz klar das Ziel formuliert wird: Österreich muss wieder katholisch werden. Aber der Kreuzzug ins Glück erhält einen jähen Dämpfer, als aus heiterem Himmel Nabil (Nabil Saleh) in seinem Rollstuhl in ihrer Wohnung steht, die sich als eine einstmals gemeinsame entpuppt: Nabil ist Annas Ex-Mann. Und als gläubiger Moslem ist er gar nicht begeistert über die seltsame Entwicklung, die seine Frau offensichtlich in seinen Jahren der Abwesenheit vollzogen hat.

Zunächst kommt es einem fast schon zu konstruiert vor, aber Seidl reiht in diesem speziellen heiligen Krieg eine großartige Szene an die nächste und amüsiert sich köstlich über die westliche Arroganz, mit der immer über „die“ fanatischen Islamisten gesprochen wird, als hätten wir selbst mit militanter Religion nie etwas zu tun gehabt. Gleichzeitig entwirft er mit präziser Schärfe das Psychogramm einer Gläubigen, deren Einsamkeit und Verzweiflung so tief gehen, dass sie alle ihre Triebe zu Gunsten einer unerwiderten Liebe sublimiert: „Dem schönen Jesus, mit den traurigen Augen“. Wenn ab und zu doch mal die fleischliche Lust durchbricht, wenn man zum Beispiel nachts im Park auf eine kleine Swinger-Party stößt, dann wird diese Liebe durchaus etwas konkreter – Seidl überschreitet hier provokativ wie immer, ein Tabu nach dem anderen. Von erstaunlicher Intensität sind die Szenen, in denen um den rechten Glauben gestritten wird, in ihrer losen Improvisiertheit haben sie fast schon etwas von „scripted reality“ - Fernsehen. Tiefschwarz, kritisch und komisch gelingt Seidl die Entlarvung der Religion als Lebenslüge, gleich welcher Konfession, sowie die Freilegung der dahinter liegenden Ängste und Begehren.

(Silvia Bahl - biograph)

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