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NVA

NVA
Deutschland 2005, Laufzeit: 98 Min.
Regie: Leander Haußmann
Darsteller: Kim Frank, Detlev W. Buck, Jasmin Schwiers, Maxim Mehmet, Oliver Bröcker, Philippe Graber

Nach seinem Ausflug ins West-Berlin der späten 80er-Jahre mit "Herr Lehmann" geht Regisseur und Autor Leander Haußmann die "Sonnenallee" nun ein Stückchen weiter gen Heimat Osten und landet in der Fidel-Castro-Kaserne. Dort werden den jungen Wehrpflichtigen in den letzten Tagen des realexistierenden Sozialismus die Werte eingedrillt, an denen sie selbst schon lange zweifeln. Für den Zuschauer gerät das zu einer zartbitter-witzigen Reise in einen grotesken Mikrokosmos. Mit seinem breitkrempigen Hut und den langen Haaren passt der junge Henrik bei der Ankunft in der Fidel-Castro-Kaserne sicher nicht in das Bild eines Genossen Soldaten und erinnert eher an einen romantischen Revolutionär á la Arlo Guthrie in "Alices Restaurant" oder den jungen Bob Dylan. Auch die meisten anderen Wehrpflichtigen müssen nach der Ankunft erst auf Linie gebracht werden. Das ist in den ausgehenden 80er-Jahren nicht mehr so einfach, da die Identifikation mit den sozialistischen Errungenschaften der DDR, die es bei der NVA vor Angriffen von außen zu schützen galt, längst an der eigenen Lebensrealität gescheitert ist. Vielmehr möchte man die eineinhalb Jahre der Zwangswehrpflicht möglichst unbeschadet überstehen. Doch Oberst Kalt und seine Genossen haben ihre Methoden, die Neuankömmlinge auf Gardemaß zurecht zu stutzen. Besonders der sture Rebell Krüger, mit dem sich Henrik schnell anfreundet, bekommt das unangenehm zu spüren. So versucht sich jeder mit den Absurditäten eines überholten Systems zu arrangieren, was zu ganz unglaublichen, fast surrealen Situationen führt... Das Militärleben als solches ist schon eine irrsinnige Angelegenheit. Das gilt auch über die NVA hinaus und in der filmischen Übersetzung kann man dem nur als Groteske wirklich gerecht werden. Leander Haußmann hat das erkannt und eine witzig-ironische Satire im Stile des amerikanischen Kinos der frühen 70er-Jahre geschaffen. Der elliptische dramaturgische Aufbau von NVA erinnert dabei stark an "M.A.S.H". Haußmanns persönliche Erfahrungen bei der NVA fließen besonders über die Musik mit ein, die wohl nicht ohne Grund als Soundtrack seines Lebens in den Handel kommt und so schöne Hippie-Hits wie Creedence Clearwater Revivals "Bad Moon Rising" und Cat Stevens' "Oh Very Young" enthält. Nach Christian Ulmen in "Herr Lehmann" ist die Hauptrolle wieder mit einem Neuling im Schauspielfach besetzt worden: Kim Frank, bekannt als Leadsänger der Band "Echt", spielt den Wehrdienstpflichtigen Henrik, einen schüchternen Romantiker, der eigentlich gar nicht versteht, was um ihn herum passiert. Haußmann inszeniert ihn geschickt und mit Hang zur Selbstironie. Kaum eine Miene darf Kim Frank während des Films verziehen, als wenn er Buster Keaton Konkurrenz machen soll. Beim Antrittsappell wird ihm dann trotzdem in seiner Rolle vom Vorgesetzten befohlen, gefälligst ausdruckslos zu gucken. So wird der Hauptakteur nicht nur zum notwendigen Katalysator für die Ereignisse, sondern dient als "supporting act", besonders für den großartigen Oliver Bröcker als rebellischen Krüger und natürlich auch für die skurrilen Randfiguren. Regisseur und Schauspieler Detlev Buck darf als Oberst Kalt mal wieder so richtig den pflichtgetreuen Genossen mimen, der seine zarte Seite unter einer harten Oberfläche verbirgt. In dieser auf den Leib geschneiderten Rolle geht er sichtlich auf. Pointenreich, witzig und mit Sinn fürs Detail inszeniert, entführt NVA den Zuschauer in einen grotesken Mikrokosmos, den es so oder so ähnlich tatsächlich mal gegeben hat und der die bittersüße Essenz von all jenen Dingen ist, die heute so gerne als Ostalgie bezeichnet werden.

(Eric Horst, playtime by biograph)

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