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No!

No!
Chile/Frankreich 2012, Laufzeit: 118 Min., FSK 6
Regie: Pablo Larraín
Darsteller: Gael García Bernal, Alfredo Castro, Antonia Zegers
>> www.no-der-film.de

Mit einer komplexen Medienreflexion schließt Pablo Larraín seine Trilogie über die Pinochet-Diktatur in Chile ab: „No!“ beleuchtet die demokratische Abwahl eines der grausamsten Regime des letzten Jahrhunderts mit den Mitteln der Werbung und der Affektpolitik. Formal und inhaltlich ist ihm damit eine künstlerische Meisterleistung gelungen, die Chile eine Oscar-Nominierung für den Besten Fremdsprachigen Film 2013 einbrachte.

Réne Saavedra (Gael Garcia Bernal) entwickelt und verkauft normalerweise Konzepte für die Vermarktung von Softdrinks in einer Agentur, die von einem regimetreuen Pinochet-Vertrauten geleitet wird. Das Land ist tief gespalten – einerseits macht der gewaltsam eingeführte Neoliberalismus die linke Bewegung mundtot, da das Volk sich vor einem Rückfall in die Wirtschaftkrise fürchtet, andererseits ist die Gewaltherrschaft des Diktators auch für den Westen nicht mehr hinnehmbar, so dass eine Volksabstimmung erzwungen wird.

Die Opposition erhält erstmalig fünfzehn Minuten Sendezeit im gleichgeschalteten Fernsehen, in der sie ihre Kampagne gegen die Regierung vorstellen darf – mit einem Wahlsieg rechnet sowieso niemand. Das chilenische Volk ist gelähmt zwischen Angst und Resignation; wozu aufbegehren, wenn die Abstimmung nicht unter korrekten Bedingungen abläuft und überhaupt: was wäre denn die Alternative?

Aktivisten der Gegenkampagne kontaktieren in ihrer Verunsicherung Réne, versuchen ihn für die „No!“-Kampagne anzuwerben und von seinem medialen Know-How zu profitieren. Dieser befindet sich ohnehin stets auf des Messers Schneide, da er aus einer oppositionellen Familie kommt und auch seine Ex-Frau immer wieder durch Engagement in der militanten Regimekritik auffällt, doch sein Talent in der Werbung sichert ihm bis dato seine Existenz – und die seines kleinen Sohnes. Die Kampagnen-Entwürfe der Opposition sind allerdings in Rénes Augen so katastrophal, dass er sich schließlich dafür entscheidet das Angebot anzunehmen – die beratungsresistenten Linken setzen auf abschreckende Bilder von Folter und Terror, um das Volk aufzurütteln, doch Réne weiß, dass die Botschaft subtiler sein muss, damit sie ihre volle Wirkung entfalten kann und was noch stärker motiviert als Angst ist Freude. Farbenfroh und gut gelaunt gestaltet er die „No!“- Kampagne fortan unter den empörten Augen der politisch Engagierten mit simplen Slogans und schickem Design, in dem sich alles um eine einzige Botschaft versammelt: „Chile, die Freude kommt!“

Doch als die Popularität der Oppostion schlagartig steigt, begibt sich Réne zunehmend in Lebensgefahr.

Larraín dreht komplett auf alten U-matic-Videokameras und gleicht damit seine Geschichte den Archivbildern an, vermischt eine Ästhetik des Privaten mit der des Politischen bis zur Ununterscheidbarkeit. Dies ist auch als Statement über dokumentarische Praxis zu verstehen, die sich bewusst einer scheinbar objektiven Geschichtsschreibung widersetzt und den Zuschauer über die Authentizität der Bilder im Unklaren lässt, ebenso wie die vorgeblich klaren moralischen Werte ungreifbar und zweifelhaft werden. Durch die bunte „No!“-Kampagne wird eine neue Form von Gouvernementalität sichtbar, die Elemente der Werbung dafür einsetzt, das affektive Klima einer ganzen Nation zu manipulieren, was trotz des hier guten Zweckes, eine erschreckende Ambivalenz zu Tage trägt. Der Sieg der Opposition ist gleichzeitig das Ende der linken Politik, wenn eine Revolution dem Volk mit den selben Mitteln verkauft werden kann wie eine Daily-Soap oder ein Softdrink. Pablo Larraín ist mit „No!“ einer der relevantesten politischen Filme der letzen Jahre gelungen, dessen Thema auch zwanzig Jahre nach dem Sturz des Pinochet-Systems eine äußerst aktuelle Botschaft vermittelt.

(Silvia Bahl - biograph)

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