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Marie Antoinette

Marie Antoinette
USA 2006, Laufzeit: 123 Min., FSK 0
Regie: Sofia Coppola
Darsteller: Kirsten Dunst, Jason Schwartzman, Rip Torn, Judy Davis, Asia Argento, Marianne Faithfull, Danny Huston, Molly Shannon, Steve Coogan, Rose Byrne, Shirley Henderson, Jamie Dornan

Sophia Coppolas dritter Film ist ein Meisterwerk! Und gewagt, da sie sich mit diesem Biopic dem Gestus des klassischen Historienfilms entzieht und kühn ihre eigene Vision der umstrittenen historischen Figur Marie Antoinette präsentiert. Mit ihrem neuesten Werk schreibt sie fort, was schon in ihren bisherigen Filmen Thema war: Das Gefühl von Einsamkeit und Isolation innerhalb einer Gesellschaft.

Marie Antoinette kommt als 14jährige an den französischen Hof, um dort den zukünftigen König Louis XVI zu heiraten. Sie ist das 15. Kind der österreichischen Kaiserin Maria Theresia, die besonders auf Heiratspolitik setzte. Ihre Nachkommen wurden dabei zu Schachfiguren degradiert, die immer dann zum Einsatz kamen, wenn es außenpolitisch kriselte. Coppola zeichnet Marie Antoinette als einen Teenager, der sich in der Gefangenschaft des Systems, in das er hineingeboren wurde, im Eskapismus verliert, ohne ihn jedoch in seiner Naivität und Oberflächlichkeit in Schutz zu nehmen. Nachdem Sophia Coppola der Anonymität amerikanischer Vorstadt-Teenager ("Virgin Suicides") und zweier Menschen, die sich in einer fremden Kultur nicht zurechtfinden ("Lost in Translation"), ein Gesicht verlieh, fiel ihre Wahl diesmal auf eine historische und höchst umstrittene Figur: Marie Antoinette, die verschwenderische französische Königin habsburgischer Abstammung, die auf dem Höhepunkt der französischen Revolution hingerichtet wurde. Vielleicht meint man, Sophia Coppola vor diesem historischen Hintergrund in die Pflicht nehmen zu müssen, eine politische Meinung zu äußern. In Cannes jedoch weigerte sie sich auf die Frage zu antworten, was sie denn nun von der französischen Revolution hielte. Marie Antoinette ist vielmehr Inspiration für Coppolas Interesse an Figuren, die gefangen sind in einer Welt, in welche sie buchstäblich hineingeworfen wurden und dieser zu entfliehen kaum imstande sind und ihr Film ist eben keiner, der politisch Position bezieht. Coppola zeichnet die Welt der Marie Antoinette als eine hermetisch abgeriegelte, die sich kaum über den Garten von Versailles hinausstreckt, gerade so, als ob sie nicht existieren würde. Das ist gewagt, wo doch der politischen Film gerade eine wahre Hochkonjunktur erfährt und der Kontext der französischen Revolution ausreichend Stoff für Gesellschaftskritik bietet. Hingegen wird man in Coppolas Film in wahre Rauschzustände eines übersättigten Daseins katapultiert. Der Champagner fließt in Strömen, Berge von Torten, Makronen und Pralinen umgeben Marie Antoinette, es herrscht illustre Völlerei. Ebenso frönt sie dem Modefetisch, probiert extravagante Frisuren, Kleider und Schuhe. Das sind großartige Bilder, verträumt, pastellfarben, detailverliebt, unterlegt mit einem modernen Soundtrack (u.a. The Strokes und The Cure). Coppola lässt damit ihre Vorstellung von der damaligen Dekadenz mit dem Konsumrausch und Modefetisch der heutigen Celebrity-Welt verschmelzen. Aber Coppolas Werk ist eben nicht nur Oberflächenrauschen, ganz im Gegenteil. Die Fallhöhe ihrer Figur ist enorm und schockierend spürbar und gleichzeitig subtil und unaufdringlich inszeniert. Gegen Ende des Films steht das wütende Volk vor Versailles und Marie Antoinette verneigt sich wortlos. Coppola zeigt hier wenig Gnade mit ihrer Figur. Der letzte harte Schnitt, bevor die Leinwand schwarz wird - und das nach all der pastelligen Farbenpracht! -, wirkt wie die Guillotine.

(Alexandra Kaschek, playtime by biograph)

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