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Die fetten Jahre sind vorbei
Deutschland/Österreich 2004, Laufzeit: 129 Min., FSK 12
Regie: Hans Weingartner
Darsteller: Daniel Brühl, Julia Jentsch, Stipe Erceg, Burghart Klaußner

Nach seinem hoch gelobten Erstling "Das weiße Rauschen" konnte Hans Weingartner mit seinem zweiten Film gleich nachladen und schaffte es bis in den Wettbewerb von Cannes - zum ersten Mal für einen deutschen Film seit elf Jahren. Dabei ist er seiner Digitalkamera und seinem Hauptdarsteller Daniel Brühl treu geblieben, der hier Ideale vertritt, die den Alt-68ern entliehen zu sein scheinen. Das folgende Aufeinandertreffen von Söhnen und Vätern stellt nicht nur die Frage nach der Überlebensfähigkeit solcher Ideale, sondern vermittelt auch die Hilflosigkeit einer Generation, die nicht mehr weiß, wie sie ihrem Protest Ausdruck verleihen kann. Jan und Peter und Jule haben da jedenfalls eine ganz eigene Lösung gefunden. Nachts streifen sie durch den Hochsicherheitstrakt Berliner Millionärsvillen, spähen aus, wo die Besitzer verreist sind und der Einstieg recht gefahrlos erscheint. Erst einmal eingebrochen, klauen sie nichts, stellen die Bude auf den Kopf, versenken das Sofa im Swimmingpool und hinterlassen ein kreatives Chaos, versehen mit der Nachricht 'Die fetten Jahre sind vorbei', und unterzeichnet mit 'Die Erziehungsberechtigten'. Ihre Philosophie istes nichts zu stehlen, da der Hausrat in der Regel versichert ist, und sie wollen ja verunsichern. Doch eines Abends passiert, was passieren mußte. Der Millionär Hardenberg überrascht sie in flagranti. Zwar kann Jan ihn überwinden, doch wie mit ihm zu verfahren ist, darüber ist sich das Trio unsicher. Also beschließt man, Hardenberg erst einmal zu entführen und zwar in die Berghütte von Jules Onkel in Tirol. Dort hat man genug Zeit nachzudenken. Exekution oder Erpressung, die Nummer ist den dreien eh' zu groß und Peter wittert allmählich, dass da irgendwas mit seiner Freundin und Jan läuft. Zudem mischt sich Hardenberg in die idealistischen Theorien von Jan ein, outet sich als Altlinker, der mit Rudi Dutschke befreundet war und erklärt, warum man im Alter CDU wählt. So kocht man gemeinsam, läßt den Joint kreisen und theoretisiert über Ideale und deren Vergänglichkeit. Am nächsten Morgen lässt sich Peter von der Geisel in die Theorie der freien Liebe einweisen und sucht nach einer Möglichkeit, Freund und Freundin zu behalten und am Ende bringen sie ihre Geisel wieder nach Hause, als wären sie gemeinsam und in absoluter Harmonie aus dem Urlaub zurückgekehrt. Könnte man meinen... Es ist schon sehenswert, wie natürlich Weingartners Charaktere hier operieren. Dabei lässt er Ideale aufeinandertreffen, die von den 68ern vielleicht erstmals formuliert wurden, heute aber noch genauso gelten. So funktioniert der Generationen-Clash zwischen Vätern und Söhnen in beide Richtungen. Gemeinsam philosophieren sie darüber, wie sie umzusetzen sind und wie lange sie die stürmische Jugendzeit überleben. Das birgt viel Nachdenklichkeit, verpackt in jede Menge Witz und Situationskomik. Und wenn's dann mal wieder zu theoretisch wird, mischt Weingartner einfach ein paar persönliche Emotionen aus der 'menage á trois' der jungen Leute hinein, um das Ganze schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zu bringen. Dies alles ist raffiniert inszeniert, ausgesprochen unterhaltend anzusehen und mit einer Schlusspointe versetzt, die das Versagen der 68er genauso formuliert wie die naive Unfähigkeit der heutigen Jugend, ihren Protest zu formulieren.

(Kalle Somnitz, playtime by biograph)

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