Der Aufsteiger
Frankreich, Belgien 2011, Laufzeit: 115 Min., FSK 12
Regie: Pierre Schoeller
Darsteller: Olivier Gourmet, Michel Blanc, Zabou Breitman, Laurent Stocker, Sylvain Deblé, Didier Bezace, Jacques Boudet, François Chattot
>> www.deraufsteiger.de
Mit bissigem Witz führt Regisseur Pierre Schoeller eine politische Kaste vor, die in grandioser Selbstüberschätzung ausschließlich mit der eigenen Karriere beschäftigt ist. „Der Aufsteiger“ ist ein wahres Kaleidoskop: ein akademischer Actionfilm, eine intelligente Dekonstruktion des Homo Politicus, ein Schauspielerfilm voll begnadeter Akteure, ausgeprägter Sinnlichkeit und latentem Nihilismus – unglaublich unterhaltsam und packend!
Minister Saint-Jean wird mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen: Ein Reisebus ist in eine Schlucht gestürzt, mehrere Jugendliche sind tot. Flugs reist der Politiker mit seiner PR-Beraterin an den Unfallort, um Betroffenheit zu demonstrieren - und schon am nächsten Morgen in Paris für weitere Interviews zur Verfügung zu stehen. So beginnt der Aufstieg eines neuen Sterns am Polithimmel, die unverhoffte Karriere eines Staatsdieners, in der eine Katastrophe die nächste jagt. "4000 Kontakte im Handy und nicht ein Freund darunter“, stöhnt Saint-Jean. Doch ihm bleibt nichts übrig, als weiterzumachen: Machtgewinn bleibt das höchste Ziel der Politik, das Spiel mit den Medien, Kuhhändel und Intrigen gehören zum politischen Handwerk - und immer wieder verschlingt der Staat seine Diener...
Pierre Schoellers Film über den Aufstieg und Fall eines Politikers beginnt beinahe wie eine Komödie, wird dann aber immer dunkler. Er wirft einen beängstigenden Blick auf eine politische Kaste, die längst nichts mehr mit den Interessen der Wähler am Hut hat. Dafür beißen sie sich durch eine Intrige nach der anderen, inszeniert vom politischen Widersacher oder gar den eigenen Parteifreunde. Verworrene Winkelzüge sind da an der Tagesordnung, ausgeheckt von Lobbyisten, die für eine Industrie arbeiten, die weiß, was sie will und wie sie mit diesen Politikern umzugehen hat. Die einzig regulierende Grenze, die den Politikern gelegentlich den Schneid abkauft, ist ihr Wunsch nach Wiederwahl und selbst im Wahlkampf setzt man nicht auf den Willen des Wählers, sondern auf Meinungsforscher und Werbeagenturen, die notfalls die Meinung des Volkes beeinflussen und umdrehen.
Das alles wird mit einem ziemlichen Tempo geschildert, so dass der Film kaum zur Ruhe kommt. Erst als Saint-Jean nach einem schweren Autounfall im Krankenhaus landet, kehrt kurzfristig Ruhe ein, und bei der Beerdigung seines ums Leben gekommen Chauffeurs stellen sich kurzfristig auch Selbstzweifel ein, doch danach geht alles genauso weiter, wie vorher. Wer bei diesem Spiel nicht mitspielt, wird entlassen, und durch einen aus dem Heer von Leuten ersetzt, die auf ihre Chance warten.
Pierre Schoeller ist ein ziemlich komplexer und sehr eindringlicher Film gelungen, der einem Angst und Bange werden lässt vor dieser Politiker-Kaste, die offensichtlich keine moralischen Grenzen mehr kennt und dennoch unser Leben bestimmt. Vielleicht wäre es kommerziell erfolgreicher gewesen, den Film als Satire anzulegen, aber aus dem recht süffisanten Anfang des Films wird bald bitterer Ernst, was den Film immer dunkler werden lässt, bis er am Ende ohne einen Schimmer Hoffnung ins Schwarze ausblendet. So ist ein politischer Film entstanden, der ein Problem thematisiert, über das Witze zu machen vielleicht auch nicht angemessen gewesen wäre.
(Kalle Somnitz - biograph)