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Freistatt

Freistatt
Deutschland 2015, Laufzeit: 108 Min., FSK 12
Regie: Marc Brummund
Darsteller: Louis Hofmann, Alexander Held, Stephan Grossmann, Max Riemelt
>> www.freistatt-film.de

Sommer 1968: Rock´n´Roll, Revolten, Schlaghosen, Vietnamkriegsproteste und die sexuelle Revolution. Während sich in der abendländischen Welt eine neue Ära ankündigt, wird der junge Wolfgang von seinen Eltern in ein Erziehungsheim verfrachtet, das in brachialem Kontrast zu den aktuellen Weltgeschehnissen steht. Militärischer Drill, Despotismus und Missbrauch stehen in der kirchlichen Fürsorgeanstalt "Freistatt" an der Tagesordnung. Honoriert mit Preisen für Schauspiel und Drehbuch markiert Marc Brummunds Film vor allem den Durchbruch seines jungen, rebellischen Helden: Hauptdarsteller Louis Hofmann.

In den Kleinstädten im Norden Deutschlands degeneriert der Wind der Veränderung zur seichten Brise. Der aufmüpfige, 14jährige Wolfgang (Louis Hofmann) schlägt sich durch die Pubertät und den familiären Alltag, in welchem er immer wieder in Konflikt mit seinem Stiefvater (Uwe Bohm) gerät. Seine ihn liebende, aber recht unterwürfige Mutter kann nicht verhindern, dass Wolfgang schließlich in ein katholisches Erziehungsheim für schwer Erziehbare bugsiert wird, dessen idyllische Fassade sich schon bald als niederträchtige Täuschung erweist. Schon in den ersten Stunden kriegt Wolfgang die willkürliche, spartanische Ortshierarchie am eigenen Leib zu spüren. Aber die anderen Jungen dort erweisen sich als das geringfügigere Problem, denn viel grausamer sind die harten Regeln der Bewahranstalt, sowie deren Exekutive - die gewalttätigen Erzieher, an deren Spitze Hausvater und Heimleiter Brockmann (Alexander Held) thront. Umrandet von undurchdringlichem Moor wird der Aufenthalt dort zu einer physischen und psychischen Zerreißprobe.

Orientiert an den Mustern gängiger Missbrauchsdramen wie beispielsweise Mikael Håfströms Romanverfilmung "Evil" oder Peter Mullans preisgekröntem "Die unbarmherzigen Schwestern", welche ähnliche Oligarchien beschreiben, ist der Film eine bewegende und intensive Analyse Ebensolcher und zeigt den Widerstand eines rastlosen Einzelgängers gegen jene repressiven Strukturen. Dass Marc Brummund eine Geschichte erzählt, die auf tatsächlichen Vorkommnissen beruht, die nicht nur allein in Freistatt, das als strengste Erziehungsinstitution der BRD galt, sondern auch in vielen anderen Einrichtungen stattfanden, macht die gezeigten Züchtigungen umso schwerverdaulicher. Zwischen radikalen Szenen und malerischer Landschaftsfotographie schwelgend, wird die dortige Diskrepanz zwischen der Liberalisierung und der sogenannten "schwarzen Pädagogik" skizziert. "Freistatt" punktet an erster Stelle durch ein fantastisch aufspielendes Ensemble, in dem man auch renommierte Darsteller wie Max Riemelt in der Rolle des vorerst empathischen Aufsehers Knapp wiederfindet. Die größte Entdeckung ist jedoch der junge und sehr ausdrucksstarke Louis Hofmann in der Hauptrolle des Wolfgang, der mit einer Ambivalenz von Stärke und Verletzlichkeit dem eisernen Regime, unter dem die Knaben ihr erbarmungswürdiges Dasein fristen, die Stirn bietet. Stück für Stück deckt Brummund die Karten auf und spitzt das dramatische Geschehen stilsicher und spannend zu, bis die Vorfälle eskalieren. Die intensive Recherchearbeit hat sich gelohnt und das Zeitmilieu wird sorgfältig veranschaulicht. Gedreht wurde der Film an Originalschauplätzen, mit tatkräftiger Unterstützung des gegenwärtigen Heims Freistatt. Das sehenswerte Ergebnis ist ein bewegendes Plädoyer für Menschlichkeit mit nervenzerreißenden Sequenzen, das bereits mit einigen Preisen für das Skript und Louis Hofmann honoriert wurde.

(Nathanael Brohammer - biograph)

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