Das Mädchen mit den goldenen Händen
Deutschland 2020, Laufzeit: 103 Min., FSK 12
Regie: Katharina Marie Schubert
Darsteller: Corinna Harfouch, Birte Schnoeink, Peter René Lüdicke
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Das Regiedebüt der renommierten Theater- und Kinoschauspielerin Katharina Marie Schubert ist prominent besetzt, überwiegend mit Schauspielern aus dem Osten unseres Landes. Und genau da spielt es auch: 1999 in einem kleinen ostdeutschen Provinz-Städtchen. Die Menschen hier haben schon viele Umbrüche hinter sich, weitere stehen bevor. Gudrun (Corinna Harfouch) feiert heute ihren 60. Geburtstag, in einem alten, verfallenen Herrenhaus, das zu DDR-Zeiten als Kinderheim genutzt wurde, in dem auch sie selber elternlos aufgewachsen ist.
Zur Geburtstagsfeier reist auch Gudruns Tochter Lara aus Berlin an. Sie ist mit dem Stiefvater aufgewachsen, über ihren leiblichen Vater wollte die Mutter nie sprechen. Entsprechend angespannt ist das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter. Und auch diesmal läuft es nicht rund zwischen den beiden. Gudrun erfährt ausgerechnet während ihrer Geburtstagsfeier davon, dass das ehemalige Kinderheim verkauft werden soll. Hinter ihrem Rücken hat der Bürgermeister den Verkauf eingefädelt. Finanzkräftige Investoren wollen es zum Hotel umbauen. Eine wirtschaftliche Perspektive für die strukturarme Region oder Ausverkauf der eigenen Geschichte? Über diese Frage hat man im Stadtrat lange gestritten und jetzt hat der Bürgermeister einfach Nägel mit Köpfen gemacht. Sie wird zur rasenden Furie, tut alles um diesen Verkauf wieder rückgängig zu machen, denn für Gudrun hat das ehemalige Kinderheim nicht nur eine monetäre Bedeutung, es ist ein Relikt ihrer Kindheit. Auch wenn sie hier nicht nur Gutes erlebt hat, pflegt sie eine nostalgisch wehmütige Erinnerung an diesen Ort, der auch das Leben in der damaligen DDR repräsentiert. Gudrun will sich dieses Stück ihrer privaten Geschichte nicht nehmen lassen.
Aber auch ihre Tochter Lara ist auf einem Trip in die Vergangenheit. Im Haus hat sie Hinweise auf eine Affäre ihrer Mutter mit einem Musiker gefunden. Sie nimmt den nächsten Streit zum Anlass, um wieder nach Berlin zu fahren, wo sie den heimlichen Lover ihrer Mutter - 30 Jahre nach der Affäre - tatsächlich ausfindig machen kann. Ist er vielleicht sogar ihr Vater?
Katharina Marie Schuberts Film fällt auf durch seine reduzierte Erzählweise, nichts wird hier auserzählt, sie deutet alles nur an, gibt versteckte Hinweise und fängt eine Stimmung ein, die typisch für den Osten zu jener Zeit ist. Ein tiefer Riss geht durch die ehemalige Dorfgemeinschaft. Die einen sind geblieben, die anderen gegangen, um im Westen oder Berlin ihr Glück zu suchen. Die einen halten die anderen für ewig Gestrige oder umgekehrt für Wendehälse. Dieser Riss geht auch durch Gudruns Familie, denn Lara ist bei ihrem Stiefvater in Berlin aufgewachsen. Schubert erzählt geschickt von diesem Konflikt. Das Kinderheim ist da nur eine Metapher für all diejenigen, die geblieben sind. Sie fühlen sich als Verlierer, so wie das Kinderheim ziemlich marode ist. Nasse Wände, Schimmel, eine Sanierung würde Millionen kosten. Bewahren oder verändern ist hier die Frage, und sie stellt sich auch den Menschen, die hier geblieben sind. Sie sind heimatverbunden, nostalgisch, aber auch vom Leben abgehängt und betrachten alle, die den anderen Weg gegangen sind, als Verräter. Ein spannender Stoff, den Schubert mit viel Einfühlungsvermögen und Empathie umsetzt. Ihr gelingt es, dass man als Außenstehender beide Seiten verstehen kann und man erkennt, dass dieser Konflikt erst dann zu Ende sein wird, wenn beide Seiten den gegenseitigen Respekt voreinander wiedergefunden haben.