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Wege des Lebens – The Roads Not Taken

Wege des Lebens – The Roads Not Taken
Großbritannien, USA 2020, Laufzeit: 85 Min., FSK 0
Regie: Sally Potter
Darsteller: Javier Bardem, Elle Fanning, Salma Hayek
>> upig.de/micro/wege-des-lebens-the-roads-not-taken

Brachte Sally Potter 2017 mit THE PARTY Licht und Leichtigkeit in den Berlinale-Wettbewerb, so ist ihr diesjähriger Beitrag eher schwermütig und düster. Sie zeigt einen Tag im Leben des ehemaligen Schriftstellers Leo (Javier Bardem), um den sich seine Tochter Molly (Elle Fanning) rührend kümmert. Er ist bettlägerig, kann die Wohnung kaum verlassen und scheint unendlich zu leiden.

Doch welche Krankheit er hat, ist nicht nur dem Zuschauer, sondern auch Molly und den Ärzten unklar. Aber Molly weiß, dass ihr Vater Hilfe braucht. Zwar lebt er in einer kleinen Wohnung in New York und kommt dank seiner Haushälterin einigermaßen zurecht, doch heute stehen Besuche bei Augen- und Zahnarzt an. Der Tag wird in einem Fiasko enden, der Kurztrip durch New York wird für Leo schnell zu einer kaum zu bewältigenden Odyssee. In Tagträumen hängt er grausigen Erinnerungen und verpassten Chancen nach, und am Ende des Tages hat seine Tochter eine leise Ahnung von den Enttäuschungen, die ihr Vater durchlebt hat und die ihr bislang unbekannt waren.
Ausgangspunkt für diesen Film, war die frühe Demenzerkrankung ihres jüngeren Bruder Nic Potter, den die Regisseurin pflegte, bis er 2013 verstarb. Das schnelle Fortschreiten seiner Krankheit brachte Sprachstörungen, Realitätsverlust und wirre Erinnerungen mit sich, in denen Potter nicht nur krankhafte Züge, sondern auch poetische Ausformungen erkannte. In ihrem neuen Film ist es nun der Schriftsteller Leo, der seine Umwelt immer weniger wahrnimmt und Wachträumen nachhängt. Potter webt hier einen opulenten filmischen Bilderteppich der Psyche eines Mannes. Niemand ahnt, was in Leos Kopf vorgeht, seine Ex-Frau hält ihn für einen Maniac, einen Simulanten, die Ärzte sind ratlos und seine Haushälterin ist gewohnt an das merkwürdige Verhalten dieses gebrochenen Mannes. Einzig seine Tochter Molly beginnt langsam, ein wenig von dessen geheimen Leben zu erahnen, lernt zu ihm durchzudringen. Der Schlüssel dazu ist ihre bedingungslose Liebe zu ihrem Vater.
Sally Potter lässt Leos imaginierten Lebenswelten in Momenten voller Tragik, Glück, Bedauern und Komik aufgehen. Sie erzählt auf drei Zeitebenen, bei denen es sich allerdings nicht um Rückblenden, sondern um Imaginationen alternativer Lebenswege handelt. So stellt sich Leo eine leidenschaftliche Ehe mit seiner Jugendliebe Dolores (Salma Hayek) in Mexiko vor, oder ein Leben in Einsamkeit auf einer abgelegenen griechischen Insel, wo das zufällige Aufeinandertreffen mit zwei jungen Touristinnen schmerzliche, unbequeme Einsichten ans Licht bringt. Die dritte Zeitebene spielt in der Realität, in Brooklyn, wo Leo ein karges Leben fristet.
"Jeder, der sich schon einmal gefragt hat, wie sein Leben verlaufen wäre, wenn er irgendwo einen anderen Weg eingeschlagen hätte, wird sich in dieser Geschichte wiederfinden." meint Sally Potter, die in ihrem Film der Frage nachgeht, ob in dem Moment, in dem wir uns an einer Lebens-Kreuzung für eine bestimmte Richtung entscheiden, ein Teil von uns möglicherweise auf dem nicht eingeschlagenen Weg weitergeht. "Je mehr ich an dem Drehbuch arbeitete, desto deutlicher kristallisierte sich Leo als zentrale Figur heraus, die eine persönliche, komplexe Odyssee durchläuft."
Deswegen konnte sich Potter lange Zeit keinen Schauspieler vorstellen, der dieser Rolle gerecht wird. „Es musste jemand sein, der so viel Präsenz besitzt, dass man ihn in all seinen Inkarnationen kennenlernen möchte und zugleich glaubt, dass es sich dabei immer um dieselbe Person handelt".
Javier Bardem ist ein Schauspieler mit solch einer Präsenz. Er legt seine Rolle zwischen Depression und Demenz an und ist selten klar und verständlich. Seine Performance erinnert an die in Alejandro Amenábars DAS MEER IN MIR, der 2004 immerhin den Auslands-Oscar holte.

(Kalle Somnitz)

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