Aus der Not wird eine Tugend. Da sich Corona-bedingt die Programme verschieben, ist die Ausstellung von Thomas Ruff von K21 in das Stammhaus der Kunstsammlung NRW verlegt. Eigentlich für Kunst des 20. Jahrhunderts vorgesehen, entfalten seine großen Bildtafeln hier eine geradezu klassische, lichte Präsenz, und das ist adäquat, wenn wir bedenken, dass Thomas Ruff u.a. Propagandafotos des Mao-China, Pornofotos aus dem Internet, wissenschaftliche Aufnahmen von der Marsoberfläche als Grundlage verwendet hat, Motive also, die es auf Plakativität, Dominanz und Detailgenauigkeit angelegt haben. Indem er sie überhöht, ihre Intention auf die Spitze treibt, enthäutet er sie gleichsam. Er legt ihre artifizielle Konstruiertheit – und damit ihre eigentliche Absicht – frei. Darüber hinaus, in seinem gesamten Werk ist Thomas Ruff dem Medium der Fotografie auf der Spur, ihrer Wahrheit ebenso wie ihren Täuschungsmanövern und ihrer Komplizenschaft mit den ganz neuen Medien des Digitalen, Virtuellen und des Räumlichen. Er nimmt sich der Reizüberflutung und der Bilderwut im Internet an und wendet sich in anderen Werkgruppen den frühen Verfahren in der Fotogeschichte zu. In den letzten Jahren sind auch wieder eigene Fotografien entstanden, aber Ruff folgt in seiner Arbeit nach wie vor der Erkenntnis, dass er mit seinen Möglichkeiten eben nicht alle Fotografien selbst anfertigen kann, etwa die mit einem Spezialteleskop aufgenommenen Sternenhimmel. Zwar hat er in der Fotoklasse von Bernd Becher an der Kunstakademie am Eiskellerberg studiert und wird deswegen der Düsseldorfer Fotoschule zugerechnet. Aber seine von Mal zu Mal wechselnden Arbeitsweisen lassen sich so gar nicht damit vergleichen. Wie etwa auch Jörg Sasse – und der jetzige Professor der Fotoklasse Christopher Williams – wäre er doch eher als Konzeptkünstler mit dem Medium Fotografie zu bezeichnen.
Ruffs Ausstellung in K20 ist als Werküberblick angelegt. Sie zeigt nicht alles und lässt sogar bekannte, eigentlich unverzichtbare Werkgruppen weg wie die Nachtaufnahmen von Kriegsschauplätzen und eben die Sternenhimmel, die aber beispielhaft gegenüber in die Sammlungspräsentation integriert sind. Gewiss ist es schade, dass die Intensität und Intimität, wie sie in Ruffs Schauen einzelner Werkgruppen erzeugt wird, im sachlichen, durch Kojen geordneten Nebeneinander etwas verlorengeht. Das Subversive, mit dem Ruff die technischen Verfahren entlarvt und gleichzeitig neue Faszination erzeugt, ist irgendwie weggeblasen. Aber es bleibt dabei: Herausragender, spannender Künstler, aufregendes Werk.
Thomas Ruff bis 7. Februar in K20
Kunstsammlung am Grabbeplatz,
Di-Fr 10-18, Sa, So 11-18 Uhr
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Evelina Velkaite
Erinnerte Landschaften
Gekommen um zu zeigen
Düsseldorfer Künstler*innen daheim
Josef Schulz
Essenz der Struktur
Spätromantik in Düsseldorf
Caspar David Friedrich und die Spätromantiker
Zeichen der Solidarität
Für die Obdachlosenhilfe im NRW-Forum
Dorothy Iannone
Feier des Lebens
Karl Heinz Rummeny
Wieder und immer
Eye of the Storm
„Woodstock“ von VA Wölfl
Silke Albrecht
Malerei im Zustand der Auflösung
Aus Keramik
Thomas Schütte im Hetjens Museum
Ulrich Hensel
Vorübergehend für die Ewigkeit
Franka Hörnschemeyer
Räume an Orten
Stadt der Bildhauer
Kunst im Lantz‘schen Park
Berit Schneidereit
Nahe Ferne
Zeugnisse der Zivilisation
Das Kunstarchiv Kaiserswerth
Walter Vogel
Choreographie kleiner Ereignisse
Stadt in Fotos
Fotografie in den Instituten der Stadt
HA Schult
Eine Welt, in der wir atmen
Vivian Greven
Körper und ihre Abwesenheit
Farbe als Materie im Raum
Gerhard Hoehme in der Akademie-Galerie
Kristina Buch
Sprache, Natur und das Unaussprechliche
Wie von nahem
Peter Lindbergh im Kunstpalast
Koenraad Dedobbeleer
Kunst und öffentlicher Raum
Museum Karneval
Jacques Tilly im Karneval und im Museum
Flüchtige Ereignisse
Natascha Schmitten im NRW-Forum – und im KIT